Platzangst - Angst vor unsicheren Orten

Die Angst, in der Falle zu sitzen

 

„Meine frühere Selbstständigkeit und Selbstsicherheit waren wie weggeblasen.“

 

Frau Weber, 29 Jahre alt, verheiratet mit einem Facharbeiter, ist Hausfrau und Mutter von zwei Töchtern im Alter von drei und fünf Jahren. Vor der Ehe war sie in einem großen Modegeschäft als Textilverkäuferin tätig. Die Familie wohnt in einem großen Haus zusammen mit den Eltern des Mannes. 

Die junge Frau möchte wieder arbeiten gehen, um dadurch den ständigen Spannungen mit der Schwiegermutter zu entkommen, obwohl sie diese eigentlich zur Beaufsichtigung ihrer Kinder benötigt. 

Nach einem Streit mit der Schwiegermutter fährt Frau Weber noch am gleichen Tag mit dem Bus zur Personalabteilung ihrer früheren Firma, um den raschen beruflichen Wiedereinstieg zu organisieren. 

Im überfüllten Bus bekommt sie plötzlich Schwindelgefühle, Hitzewallungen, Herzrasen, Atemnot und Übelkeit. Aus Angst umzufallen klammert sie sich an einer Stange fest und beginnt leicht zu zittern. 

Ihre Schwindelgefühle erinnern sie an einen Beinahekollaps vor einem Jahr in der langen Samstag-Vormittag-Schlange vor der Kasse eines Supermarkts und sie fürchtet, ohnmächtig umzufallen. Sie verlässt den Bus fluchtartig bei der nächsten Station. 

Fünf Wochen später ist Frau Weber abends mit den Kindern allein zu Hause. Während sie sich einen Fernsehfilm anschaut, wird ihr Körper von einer heftigen Panikattacke mit Herzrasen, Druck auf der Brust, abwechselnden Hitze- und Kältegefühlen, Schwindel, Übelkeit und Zittern erfasst; eine massive Todesangst ist die Folge.  

Frau Weber alarmiert den Notarzt, der nach einer kurzen Untersuchung meint, sie habe wahrscheinlich eine Panikattacke erlebt und solle am nächsten Tag den Hausarzt zwecks weiterer Behandlung aufsuchen. Da sie alleine zu Hause ist, gibt er ihr eine Beruhigungsspritze, die bereits nach kurzer Zeit die gewünschte Wirkung zeigt. 

Ihr Mann und ihre Schwiegermutter raten ihr später zu mehr Schonung, was dazu führt, dass sie ihren Wiedereinstieg in den Beruf aus Angst vor Überforderung aufgibt. 

Zwei Wochen danach bekommt Frau Weber eine Panikattacke beim Einkauf im nächstgelegenen Geschäft. Sie muss deswegen fluchtartig das Geschäft verlassen. 

Von da an hat sie Schwierigkeiten, ohne Begleitung etwas zu unternehmen. Sie fährt nicht mehr allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln und vermeidet den Aufenthalt in öffentlichen Räumen. 

Sie fürchtet sich vor dem Alleinsein unterwegs genauso wie vor dem Alleinsein zu Hause. Sie hat das Vertrauen zu ihrem Körper verloren. 

Plötzlich ist sie froh, dass die Schwiegereltern im Haus wohnen und sie somit am Vormittag nicht allein sein muss, wenn die Kinder in den Kindergarten gehen. Von nun an ist die Schwiegermutter jederzeit willkommen. 

Was für Frau Weber eine Hilfe sein sollte, wird bald zu ihrem Gefängnis, zum Gefängnis der Agoraphobie. Die zunehmende Abhängigkeit von der Schwiegermutter nimmt ihr den letzten Rest von Selbstvertrauen. 

Zum Hausarzt wagt sie sich erst zwei Monate später, als sie plötzlich nicht einmal mehr ihre Kinder in den Kindergarten bringen kann aus Angst, vor den anderen Müttern eine Panikattacke zu bekommen oder sonst irgendwie unangenehm aufzufallen. 

Selbst den Besuch beim Hausarzt hatte sie hinausgeschoben, weil sie sich vor dem vollen Wartezimmer fürchtete und Angst davor hatte, die Leute würden ihre Symptome erkennen und sie als nervenkrank abstempeln. 

Mit der Diagnose „Agoraphobie mit Panikstörung“ wird sie vom Hausarzt zu einer Verhaltenstherapie überwiesen. 

 

 

Fürchten Sie sich vor Menschenmassen, öffentlichen Plätzen, allein zu reisen oder weit weg von Zuhause zu sein?

 

1.  Fürchten und vermeiden Sie beharrlich und anhaltend mindestens zwei der folgenden Situationen:   

  • Menschenmengen 
  • Öffentliche Plätze 
  • Allein Reisen 
  • Reisen mit weiter Entfernung von Zuhause   

 
2.  Traten dabei folgende Symptome auf?

  • Herzrasen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz 
  • Schweißausbrüche 
  • Fein- oder grobmotorisches Zittern 
  • Mundtrockenheit   
  • Atembeschwerden 
  • Beklemmungsgefühl 
  • Schmerzen oder Missempfindungen in der Brust 
  • Übelkeit oder Missempfindungen im Bauchraum (z.B. Unruhegefühl im Magen) 
  • Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit 
  • Gefühl, dass Sie weit entfernt sind, nicht „wirklich hier sind“, „neben sich stehen“ (Depersonalisation) oder die Umwelt und die Objekte unwirklich sind (Derealisation)  
  • Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“ 
  • Angst zu sterben (als Reaktion auf die körperlichen Zustände) 
  • Hitzewallungen oder Kälteschauer 
  • Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle  


3.  Erleben Sie durch das Vermeidungsverhalten oder die Angstsymptome eine deutliche emotionale Belastung und haben Sie dabei die Einsicht, dass diese Ängste übertrieben oder unvernünftig sind?

4.  Beschränken sich die Symptome ausschließlich oder hauptsächlich auf die gefürchteten Situationen oder Gedanken an sie? 

5.  Können Sie ausschließen, dass Ihre Angstzustände bedingt sind durch eine andere psychische Störung (Depression, Zwangsstörung usw.) oder eine körperlichen Störung?   

Wenn Sie die Fragen 1, 3, 4 und 5 sowie mindestens zwei Symptome bei Frage 2 angekreuzt haben, haben Sie möglicherweise eine Agoraphobie (Platzangst). 

 

 

 

Das Wesen der Agoraphobie: ständiges Vermeidungsverhalten vor gefürchteten Orten und Situationen

 

Die zentralen Merkmale nach dem internationalen Diagnoseschema ICD-10:

 

A.  Als „Agoraphobie“ bezeichnet man die starke und anhaltende Furcht vor oder die Vermeidung von mindestens zwei der folgenden Situationen:


  • Menschenmassen
  • Öffentliche Plätze
  • Allein Reisen
  • Reisen, vor allem mit weiter Entfernung von Zuhause.

 

B.  Wenigstens einmal nach der Entwicklung der Störung müssen in den gefürchteten Situationen mindestens zwei der folgenden 14 Angstsymptome gleichzeitig aufgetreten sein (davon eines aus den ersten vier Symptomen):

  1. Herzrasen, Herzklopfen oder erhöhte Herzfrequenz
  2. Schweißausbrüche
  3. fein- oder grobmotorisches Zittern
  4. Mundtrockenheit
  5. Atembeschwerden
  6. Beklemmungsgefühl
  7. Schmerzen oder Missempfindungen in der Brust
  8. Übelkeit oder Missempfindungen im Bauchraum (z.B. Unruhegefühl im Magen)
  9. Gefühl von Schwindel, Unsicherheit, Schwäche oder Benommenheit
  10. Gefühl, die Objekte der Umwelt sind unwirklich (Derealisation), oder man selbst ist weit entfernt oder „nicht wirklich hier“, wie wenn man neben sich stehen würde (Depersonalisation)
  11. Angst vor Kontrollverlust, verrückt zu werden oder „auszuflippen“
  12. Angst zu sterben (als Reaktion auf die körperlichen Symptome)
  13. Hitzewallungen oder Kälteschauer
  14. Gefühllosigkeit oder Kribbelgefühle

 

C.  Es besteht eine starke emotionale Belastung durch das Vermeidungsverhalten oder die Angstsymptome, wobei die Betroffenen die Einsicht haben, dass ihre Reaktionen übertrieben oder unvernünftig sind.

 

D.  Die Symptome sind ausschließlich oder hauptsächlich auf die gefürchteten Situationen oder auf die Gedanken an diese beschränkt.

 

E.  Die gesamte Symptomatik ist nicht durch eine andere psychische Störung (z.B. Depression, Zwangsstörung oder Alkoholabhängigkeit) oder eine körperliche Erkrankung bedingt.

 

Eine Agoraphobie kann in zwei Formen auftreten:

 

  • Agoraphobie ohne Panikstörung
  • Agoraphobie mit Panikstörung

 

Die zentralen Merkmale nach dem amerikanischen psychiatrischen Diagnoseschema DSM-5


Das amerikanische psychiatrische Diagnoseschema DSM-5 definiert eine Agoraphobie etwas umfangreicher als eine ausgeprägte Furcht vor mindestens zwei von fünf Situationen:

  • Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel (z.B. Autos, Busse, Züge, Schiffe, Flugzeuge),
  • Aufenthalt auf offenen Plätzen (z.B. Parkplätze, Marktplätze, Brücken),
  • Aufenthalt in geschlossenen Räumen (z.B. Geschäfte, Theater, Kino),
  • Stehen in einer Schlange oder Menschenmenge, 
  • Aufenthalt allein außer Haus.

 

Diese und ähnliche Situationen werden laut DSM-5 entweder gefürchtet oder vermeiden, weil eine Flucht schwierig sein könnte, oder weil angesichts von Symptomen einer Panikattacke bzw. anderer beeinträchtigender oder peinlicher Symptome, wie etwa Hinfallen bei älteren Personen oder bei Inkontinenz, Hilfe nicht erreichbar sein könnte. 

Die gefürchteten Orte werden entweder aktiv vermieden oder können nur in Begleitung einer Vertrauensperson aufgesucht werden. 

Wenn Flucht nicht möglich erscheint, werden die betreffenden Situationen nur unter intensiver Furcht und Angst durchgestanden. 

Die Furcht oder Angst geht weit über das tatsächlich gegebene Ausmaß einer eventuellen Gefahr hinaus, dauert laut DSM-5 mindestens sechs Monate lang an und verursacht einen bedeutsamen Leidenszustand oder erhebliche Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen. 



Geschichtliche Aspekte

 

„Agora“ heißt im Altgriechischen „öffentlicher Platz“ oder „Marktplatz“. Es geht dabei um Orte, die jedermann betreten kann, egal ob im Freien oder in Räumen. Die Bezeichnung Agoraphobie (auf Deutsch „Platzangst“) wurde erstmals 1871 verwendet, um die Angst vor weiten und offenen Plätzen sowie vor bestimmten Straßen zu charakterisieren. 

Bereits damals wurde erkannt, dass eine Agoraphobie auf der Angst vor körperlichen oder geistigen Symptomen beruht und diese Erwartungsangst („Angst vor der Angst“) durch die Anwesenheit von Vertrauenspersonen reduziert werden kann. 

Sigmund Freud beschrieb als erster die Agoraphobie als Folge von Panikattacken. Er meinte, in Wirklichkeit sei das, was der Kranke fürchte, das Ereignis eines solchen Anfalls unter speziellen Bedingungen, dass er glaube, ihm nicht entkommen zu können.

Die Angst vor öffentlichen Orten wurde früher der Angst vor engen Räumen (Klaustrophobie) gegenübergestellt. 

Heute versteht man unter Agoraphobie die Angst vor allen Orten und Situationen, wo im Falle einer Panikattacke, einer panikähnlichen Symptomatik (Ohnmachtsangst, Herzklopfen, Atemnot u.a.) oder eines sonstigen körperlichen Unwohlseins (vor allem Schwindel, Schwitzen, Harn- oder Stuhldrang) eine Flucht schwierig oder gar unmöglich wäre, eine hilfreiche und beruhigende Person nicht zur Verfügung steht und das Ertragen der gefürchteten Situation extrem belastend empfunden wird. 

 

 

Die Kernsymptomatik

 

Eine Agoraphobie ist eine starke und anhaltende Furcht vor oder Vermeidung von mindestens zwei von vier Situationen (Menschenmengen, öffentlichen Plätzen, allein Reisen, weiten Reisen), wobei die Betroffenen mindestens zwei von 14 körperlichen und kognitiven Angstsymptomen aufweisen (siehe oben). 

Ausgelöst wird eine Agoraphobie, wenn die Betroffenen ihre gewohnte und sichere Umgebung verlassen, keine schützenden und vertrauten Personen um sich haben und keine Fluchtmöglichkeit mehr vorfinden. 

Das zentrale Gefühl ist: „Du sitzt in der Falle!“ Es taucht zum einen die Angst auf, wildfremden Menschen ausgeliefert zu sein, zum anderen die Erleichterung, dass überhaupt jemand in der Nähe ist, der im Notfall Hilfe leisten könnte. 

Kurzgefasst: Agoraphobiker leiden unter einer mangelnden Situationskontrolle. Dahinter steht die Angst vor dem eigenen Körper, das heißt Angst, körperliche oder psychische Symptome nicht mehr kontrollieren zu können. Sie ist so dominant, dass weder vernünftige Argumente von außen noch positiv gemeisterte, ähnliche Situationen etwas fruchten – die agoraphobische Angst bleibt. Die Betroffenen befürchten, die Kontrolle über sich und ihren Körper zu verlieren, plötzlich ohnmächtig umzufallen und womöglich mit einem Herzinfarkt hilflos liegen zu bleiben. 

Nicht weniger Angst macht die Vorstellung, öffentlich einen Schrei- oder Weinkrampf oder gar einen Tobsuchtsanfall zu bekommen oder „durchzudrehen und verrückt zu werden“. 

Das häufige Gefühl, „neben sich zu stehen“, spiegelt ein stressbedingtes Entfremdungsgefühl gegenüber sich selbst (Depersonalisation) oder gegenüber der Umwelt (Derealisation) wider und ist nicht – wie oft befürchtet wird – Ausdruck einer beginnenden Schizophrenie! 

Die Betroffenen leiden auch oft unter einem chronischen Schwindel, was im Vorfeld schon zu einer Einschränkung an körperlicher Bewegung geführt hat.  

Wie versuchen in der Regel Agoraphobiker, mit ihrem Problem fertig zu werden? Indem sie es möglichst vermeiden! 

Agoraphobiker entwickeln geradezu perfide Strategien im Vermeiden der angstmachenden Situationen. Somit können sie nie die Erfahrung machen, dass das Problem gar nicht so gefährlich und durchaus bewältigbar wäre. 

Das führt wie der Dominoeffekt zu einem immer größeren Meidungsverhalten bis hin zur völligen sozialen Isolation. 

Vom früheren Selbstbewusstsein ist dann kaum mehr etwas vorhanden. Diese Vermeidungsstrategie erklärt auch die paradoxe Situation, dass manche Agoraphobiker relativ wenig Angst und immer seltener Panikattacken erleben. 

Eine Agoraphobie unterscheidet sich von einer spezifischen Phobie (z.B. ausschließlich Angst vor dem Liftfahren oder vor dem Fliegen) durch den Umstand, dass eine Unzahl an Orten und Situationen gefürchtet wird, sodass man auch von einer „multiplen Situationsphobie“ spricht. 

 

 

Agoraphobie umfasst viele Orte und Situationen

 

Es gibt eine Fülle von Situationen, die gemieden oder nur mit Unbehagen ertragen werden können, besonders wenn diese ohne den Schutz einer Begleitperson aufgesucht werden müssen: 

  • Aufenthalt im Freien unter vielen Menschen oder bei fehlender Fluchtmöglichkeit: öffentliche Plätze überqueren, unbekannte Stadtteile aufsuchen, in überfüllten Fußgängerzonen bummeln, öffentliche Veranstaltungen besuchen, in einem Verkehrsstau stecken, durch einen längeren Tunnel fahren, mit dem Auto bei Nebel (das heißt ohne Sicht) unterwegs sein, mit dem Fahrrad eine längere Strecke in freier Landschaft fahren, mit dem Boot einen tiefen See überqueren, durch einen Badesee schwimmen, über eine Brücke gehen, einen Berg besteigen, einen Waldlauf unternehmen. Nur wenige Menschen mit Agoraphobie fürchten sich – im Gegensatz zur landläufigen Meinung – vor großen, leeren Plätzen, und zwar deshalb nicht, weil dort gewöhnlich keine Bewegungseinschränkung besteht. 


  • Berufliche oder private Reisen über einen bestimmten Radius hinaus, Reisen in anderssprachige Länder sowie in unbekannte Gegenden weit weg von Zuhause. 


  • Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel (Zug, Bus, Straßenbahn, U-Bahn, Flugzeug, Schiff, Sessellift, Aufzug, Rolltreppen), manchmal auch des eigenen Autos, vor allem Fahrten auf Autobahnen, wo bei vermeintlicher Gefahr kein Entkommen möglich ist. 


  • Aufenthalt in öffentlichen oder halb öffentlichen Räumen, besonders wenn diese überfüllt sind: Geschäft, Supermarkt, Kirche, Kino, Museum, Theater, Konzertsaal, Stadion, Bank, Behörde, Krankenhaus, Wartezimmer bei Ärzten, Gaststätte, Café, Diskothek, Kantine, Hörsaal, öffentliche Toilette, Friseursalon, Umkleideraum in Kleidergeschäften, Sauna, Hallen- oder Freiluftbad, Friedhof, Schlange stehen in Geschäften und bei Behörden, Arbeit in einem Großraumbüro, Besuch des Elternsprechtags oder einer Elternveranstaltung in der Schule, Teilnahme bei einer Betriebsversammlung, Sportveranstaltung oder großen Feier (z.B. Hochzeit). 


  • Aufenthalt in engen, hohen, geschlossenen oder dunklen Räumen: Lift, Raum ohne Fenster, Toilette oder Badezimmer mit verschlossener Tür, Diskothek, Turnsaal, Kellerraum, Höhle, unterirdischer Gang, Tunnelgang, Passage, Hochhausraum, Kirchturm, Fernsehturm, dunkles Schlafzimmer, Aufenthalt allein in einem großen Raum. Bei einer Liftphobie spricht die Angst vor dem Steckenbleiben oder Ersticken für eine Agoraphobie, die Angst vor den Blicken anderer für eine Sozialphobie, die Angst vor dem Abstürzen des Lifts für eine Höhenphobie. 


  • Vereinbarung von Treffen mit anderen Leuten unter „unsicheren“ Bedingungen. 

 

Angst vor der Angst 

 

Agoraphobie-Patienten fürchten sich panisch davor, in bestimmten Situationen mit den unangenehmen Reaktionen ihres eigenen Körpers nicht mehr fertig zu werden. Da sie glauben, ihren Körper nur mangelhaft kontrollieren zu können, vermeiden sie strikt alle Orte und Situationen, die dazu führen könnten. 

Eigentlich haben Agoraphobiker gar nicht Angst vor den äußeren, sondern vor ihren eigenen inneren Zuständen, denen sie sich hilflos ausgeliefert fühlen.  

Hinter der Angst vor Orten und Situationen steht die Angst vor dem eigenen Körper


Besonders schlimm ist es für die Betroffenen, wenn sie wissen, dass vielleicht in einer Woche der Besuch eines besonderen Konzerts ansteht.

Es entstehen Erwartungsängste, die oft so dominant werden, dass kaum mehr eine Chance besteht, die Situation so halbwegs entspannt anzugehen und durchzutauchen. Die Angst vor der Angst hat gesiegt. 

Und wenn sich der Betroffene doch durchgerungen hat, sich dem gefürchteten Ereignis zu stellen und dieses sogar als positiv und angenehm erlebt hat, wird er trotzdem bei der nächsten ähnlichen Erfahrung die gleichen extremen Erwartungsängste verspüren und sich ihnen hingeben.  

Agoraphobie-Patienten können mit einem gewissen Restrisiko, mit potentiellen Gefahren und der Unsicherheit, wie eine Situation sein wird, mental nicht richtig umgehen.

 

 

Zwei Arten der Agoraphobie

 

Eine Agoraphobie kann mit oder ohne Panikstörung auftreten, sie entsteht oft als Folge nicht bewältigter Panikattacken. 

Rückfälle bei einer Agoraphobie hängen häufig mit einer oder mehreren weiteren Panikattacken zusammen. 

Im klinischen Bereich weisen die meisten Menschen mit Agoraphobie tatsächlich auch Panikattacken auf, während diese Kombination nach umfangreichen Befragungen der Durchschnittsbevölkerung nur bei etwa der Hälfte der Agoraphobie-Patienten vorhanden ist.

Als Auslöser für eine Agoraphobie ohne Panikstörung gelten gewöhnlich einzelne körperliche Symptome wie Schwindel, Ohnmachtsangst, plötzlicher Harn- oder Stuhldrang oder allgemeine Schwächegefühle. 

Eine Panikattacke in einer eindeutig phobischen Situation (z.B. im Lift, auf der Autobahn, in einem Supermarkt) zeigt nur den Schweregrad der Phobie an und macht noch keine Panikstörung aus, zu der auch Angstattacken „aus heiterem Himmel“ gehören. 

Verschiedene „Agoraphobiker“ haben laut Nachuntersuchungen eher eine spezifische Phobie als eine Agoraphobie im Sinne einer multiplen Situationsphobie. 

 

 

Lästiger Schwindel 

 

Agoraphobiker fühlen sich oft schwindlig und unsicher auf den Beinen, der Boden scheint zu wanken und nicht ausreichend stabil zu sein. Sie haben den Eindruck, auf Wolken oder Watte zu gehen oder zu schweben, ohne sichere Bodenhaftung. 

Häufig fürchten sie, nach dem Umfallen hilflos auf dem Boden liegenbleiben zu müssen, nicht selbst aufstehen zu können, einer gaffenden Menge ausgeliefert und auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein, die im Bedarfsfall vielleicht nicht einmal erfolgt. 

Die Betroffenen haben jedoch weder einen Kreislaufschwindel noch einen Drehschwindel, sondern einen Schwankschwindel. Dieser wird durch das Gleichgewichtszentrum im Hirnstamm ausgelöst, das auf die chronische muskuläre Verspannung mit einem Schwindelreiz als Alarmsignal reagiert. 

Kennen Sie den Spruch von der „Angst im Nacken“? Er verweist auf eine massive Schulter-Nacken-Verspannung, unter der Agoraphobiker häufig leiden. 

Die Anspannung zeigt sich auch im übrigen Körper: die Fußsohlen liegen nicht voll und entspannt auf dem Boden auf, die Beine sind angespannt, ohne federndes Sich-Durchbeugen und Ausbalancieren, das Rückgrat ist steif und unelastisch (wie wenn ein „Stock im Kreuz“ wäre), aus Angst vor dem Fall wird der Schwerpunkt gehoben statt gesenkt. 

 

 

Tausend Tricks und Notlügen

 

Um das Leben bewältigen zu können, greifen die Betroffenen in ihrer Not oft zu tausenden Tricks und Ausflüchten und spielen vor sich und den anderen ein perfektes Theater.

Fachleute sprechen von Sicherheitssignalen, die die Angst reduzieren sollen:
 

  • Beruhigungsmittel in der Handtasche als Talisman;
  • Handy in der Hosentasche mit eingespeicherten Notrufnummern;
  • Trinkflasche oder Lutschtabletten zur Verhinderung von lästiger Mundtrockenheit oder Engegefühlen in der Kehle;
  • Aktivitäten nur zusammen mit dem Partner, den Kindern, anderen vertrauten Personen oder mit einem Hund an der Leine; 
  • ständige Orientierung, wo der nächste Arzt oder das nächste Krankenhaus ist, was zu Problemen bei Reisen in fremde Länder führt, weil man unbekannten, nicht Deutsch sprechenden Ärzten kaum trauen kann; 
  • etwas zum Festhalten als Gehhilfe bei Schwindel oder Ohnmachtsangst: Spazierstock, Schirm, Kinderwagen, Einkaufswagen, eine Wand oder Einrichtungsgegenstände als „Anhaltspunkte“.

 

Gerne werden auch Ausreden eingesetzt, um gefürchteten Situationen zu entkommen, sodass das wahre Ausmaß der Symptomatik selbst Freunden und Verwandten lange Zeit gar nicht auffällt – oft nicht einmal den Betroffenen selbst. 


Beliebte „Notlügen“ sind z.B. 

  • „Ich habe Kopfschmerzen, Kreislaufbeschwerden, Magenschmerzen u.a.“
  • „Ich glaube, ich werde krank, ich muss nach Hause gehen.“ 
  • „Ich kann leider nicht so lange bleiben, weil ich zu Hause noch eine dringende Arbeit erledigen muss.“ 
  • „Ohne meinen Mann habe ich keine Lust, dorthin zu gehen.“

 

Unterschiedliche Ausprägungen der Agoraphobie

 

Eine Agoraphobie ist oft unterschiedlich stark ausgeprägt, was für die Betroffenen sehr zermürbend ist. Sie können angesichts der schwankenden Symptomatik oft keinen roten Faden erkennen: Einmal sind dieselben Situationen leichter, einmal schwerer zu bewältigen, je nachdem, ob es sich um „gute“ oder „schlechte“ Tage handelt. 

Diese Schwankungen sind eine Quelle der Unsicherheit, Unvorhersagbarkeit und Hilflosigkeit!  

Ohne Erschöpfungsdepression bringen längere Krankenstände zur Erholung und Entspannung meist keine Besserung. 

Im Gegenteil: Die Agoraphobie kann ohne den Zwang, einen bestimmten Tagesablauf zu bewältigen, erst so richtig ausufern. Daher kann sich die Symptomatik bei Hausfrauen, Studenten und Selbstständigen rasch verschlechtern.  

 

 

Folgen der Agoraphobie

 

Wenn eine Agoraphobie nicht erfolgreich behandelt oder vielleicht erst gar nicht richtig erkannt wird, erfolgt im Laufe der Zeit unumgänglich eine geradezu lebenseinengende Behinderung.

Selbstbewusstsein und Zukunftshoffnung schwinden derart, dass Betroffene, Außenstehende und Ärzte schließlich nicht mehr wissen, ob die schützende Wohnung aus hemmender Angst, antriebslähmender Depression oder beidem nicht mehr verlassen werden kann.

Es kommt zu einem Teufelskreis: Eine nicht bewältigbare oder bewältigte Agoraphobie führt oft zu einer Depression, die wiederum die Phobie verstärkt, sodass ein chronischer Verlauf leider sehr wahrscheinlich wird. 

Klar, dass im Laufe der Zeit die ganze Familie mitleidet: Urlaube, Ausflüge, Restaurantbesuche, selbst Einkäufe oder die Fahrt in die Arbeit sind kaum mehr oder nur unter sehr belastenden Umständen möglich. 

Ständige familiäre Spannungen sind vorprogrammiert, wenn der Rest der Familie die Agoraphobie des Betroffenen nicht mehr länger ertragen kann oder unterstützen will. 

Damit dreht sich die Leidensspirale für den Betroffenen aber nur weiter – er wird sich immer konsequenter aus allen sozialen Kontakten zurückziehen, was bis zur Arbeitsunfähigkeit führen kann. 

Erschreckend ist: Ein Drittel der Patienten lebt so eingeschränkt, dass die Erfüllung der beruflichen und familiären Verpflichtungen nicht mehr möglich ist. 

Nicht selten greifen Agoraphobiker zu Alkohol oder Beruhigungsmitteln als falsch verstandene Selbstbehandlungsstrategie, bis eine weitere Abhängigkeit entstanden ist. 

Ohne Behandlung bleibt eine Agoraphobie oft für immer oder zumindest über viele Jahre bestehen. 

Patienten mit einer Kombination von Agoraphobie und Depression haben unbehandelt eine schlechtere Prognose als solche mit einer reinen Angststörung oder einer reinen Depression. 

 

 

Wie ein Behandlungsdruck von außen entsteht

 

Jahrelang kann es ja auch gutgehen: das perfekte Überspielen der Agoraphobie, die ausgeklügelten Argumentationsketten, warum bestimmte Dinge nicht möglich sind usw.

Eine gewisse Zeit kann man sich und die Umgebung ganz gut täuschen. Nur irgendwann fällt das Kartenhaus aus Ausreden und Ausflüchten in sich zusammen.

Akuter Behandlungsbedarf besteht bei: 

  • zunehmender Unfähigkeit, außerhalb des geschützten Arbeitsplatzes zu agieren, 
  • notwendiger beruflicher Weiterbildung in einer fremden Stadt, in der man nicht allein in einem Hotelzimmer übernachten kann,
  • beruflichem Aufstieg durch Versetzung an einen anderen Ort,
  • plötzlich erforderliche Aktivitäten im Freizeitbereich (Einladungen, Reisen, Einkaufsfahrten), die ohne Sicherheitsgarantien (Anwesenheit des Partners, Beruhigungsmittel) nicht möglich sind,
  • massivem Druck durch den Partner, der ankündigt, sich aus der Partnerschaft zurückzuziehen und zunehmend eigene Aktivitäten entfaltet, 
  • plötzlichem Ausstieg des Partners aus der Rolle des Symptomverstärkers.

 

Agoraphobie, soziale Phobie oder Depression?

 

Die Grenzen zwischen diesen drei psychischen Störungen sind oft fließend und in bestimmten Fällen auch für das geschulte Auge schwer zu unterscheiden.

Häufig wird vorschnell eine reine Agoraphobie angenommen, wo tatsächlich primär soziale Ängste vorhanden sind.

Unter einer sozialen Phobie leiden Menschen, wenn sie sich vor Kritik von anderen fürchten oder überhaupt davor, in der Öffentlichkeit aufzufallen. Alles kreist um die Frage: „Was werden die anderen Menschen von mir denken, wenn sie mich während einer Panikattacke sehen?“ Dahinter stehen oft eine soziale Unsicherheit und eine soziale Ängstlichkeit. 

Agoraphobiker mit einer sozialen Phobie fürchten den „sozialen Tod“, den Verlust des Sozialprestiges, was durch bestimmte sichtbare, durchaus als ungefährlich erkannte Symptome (Rotwerden, Zittern, Schwitzen, Ausbleiben oder Veränderungen der Stimme) verstärkt wird. 

Die Angst vor Menschenansammlungen tritt bei Agoraphobikern und Sozialphobikern gleichermaßen auf. Bei Agoraphobie ist jedoch die zentrale Befürchtung, die jeweiligen Situationen nicht jederzeit rechtzeitig verlassen zu können bzw. keine Hilfe von Fremden bekommen zu können, bei der sozialen Phobie dagegen sind eher bekannte Menschen der Angst auslösende Faktor, die als potentielle Kritiker gefürchtet werden. In einem Lokal sitzen Agoraphobiker lieber bei der Tür, Sozialphobiker eher versteckt in einer Ecke. Agoraphobiker gehen lieber in kleinere, überschaubare Geschäfte, Sozialphobiker eher in Supermärkte. 

Bei einer Agoraphobie (vor allem bei gleichzeitiger Panikstörung) kreisen die Befürchtungen um das eigene körperliche und psychische Wohlbefinden (Angst verrückt zu werden, die Kontrolle zu verlieren, zu sterben, in Ohnmacht zu fallen), ohne Sorgen um die Bewertung des Verhaltens durch andere. 

Bei typischen Agoraphobikern mit Panikattacken ohne Sozialphobie besteht die Angst unabhängig vom sozial relevanten Verhalten. Sie haben einfach Angst, ohnmächtig umzufallen und vielleicht nicht mehr aufzuwachen, auch wenn die umstehenden Leute gute Bekannte sind. 

Sozialphobiker fürchten die negative Bewertung des eigenen Handelns oder der eigenen Person durch andere. Bei einer typisch agoraphobischen Symptomatik wie der Angst umzufallen kann man über die Frage nach den Konsequenzen des Umfallens rasch erkennen, ob statt der Todesangst eine Sozialphobie gegeben ist: „Ich habe Angst, dass alle Menschen auf mich herschauen und sich denken, ich sei psychisch am Ende“. 


Bei einer Depression erfolgt der Rückzug nicht aus körperlichen oder sozialen Ängsten, sondern aus Antriebsmangel und Lustlosigkeit. Oft verstärkt eine sekundäre Depression eine ursprüngliche Agoraphobie oder Sozialphobie. Die Beseitigung der Depression ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Angstbewältigung! 

Personen mit einer Zwangsstörung vermeiden bestimmte Situationen aus einem anderen Grund. Sie fürchten Verunreinigungen vielfacher Art und müssen hinterher dadurch extrem häufiges und intensives Waschen und Reinigen den früheren „sauberen“ Zustand wiederherstellen. Diese Personen vermeiden bestimmte Situationen, um sich stundenlang andauernde Zwangsrituale wie Waschen, Reinigen und Kontrollen zu ersparen. 

 

Wie eine Agoraphobie entsteht


Eine Agoraphobie entsteht meist nach folgendem Schema: 

  • An einem bestimmten vorher neutralen Ort (z.B. Supermarkt, Kino, Restaurant, Veranstaltungssaal, Bus, Autobahn, Wohnung) tritt eine erste Panikattacke oder eine panikähnliche Reaktion (z.B. Übelkeit, Schwindel, Harn- oder Stuhldrang) auf. Dem vorausgegangen ist meistens eine längere psychosoziale Belastungssituation, die mit dem Ort der Panikattacke nichts zu tun hat. 


  • Die panische Reaktionsbereitschaft nimmt zu – vor allem durch die Erfahrung, dass durch das plötzliche Verlassen des Ortes die Symptomatik sofort verschwindet und die Erkenntnis, dass das Meiden des Ortes eine neuerliche Panikattacke verhindert. 


  • Wenn keine sinnvollen Bewältigungsstrategien zur Verfügung stehen, werden ab nun auch ähnliche Situationen „zur Sicherheit“ gemieden – statt etwa vorher nur der Bus werden nun alle öffentlichen Verkehrsmittel als gefährlich angesehen. Man spricht von einer zunehmenden Generalisierung der gefürchteten Orte – vor allem, wenn tatsächlich auch anderswo eine Panikattacke aufgetreten ist.  


  • Sogenannte „Sicherheitssignale“ (z.B. Vertrauenspersonen, Medikamente, Alkohol, Handy) werden zur einzigen Garantie gegen agoraphobische Ängste. Sie schwächen das Vertrauen in die eigenen Handlungsmöglichkeiten immer mehr, der Bewegungsradius wird enger und enger, bis hin zur massiven Beeinträchtigung der sozialen und beruflichen Funktionsfähigkeit und der völligen Abhängigkeit von bestimmten Bezugspersonen. 

 

Agoraphobiker fürchten sich primär nicht vor bestimmten Orten, Situationen oder Menschenansammlungen, sondern davor, was ihnen dort passieren könnte, wenn sie allein und schutzlos sind, das heißt ohne ein Sicherheitssignal (vertraute Person, Handy, Medikament, Fluchtweg, etwas zum Anhalten u.a.). 

Eine Agoraphobie zu haben bedeutet, ständig auf der Suche nach Sicherheit oder Sicherheitssignalen zu sein, wenn man sich potentiell bedrohlichen Situationen mental oder real aussetzen soll. 

Das agoraphobische Vermeidungsverhalten spiegelt ein gestörtes Gleichgewicht zwischen subjektiv empfundener Gefahr und Sicherheit wider. 

Dies ist oft nur verständlich durch die Lebensgeschichte der Betroffenen.

Vor dem Auftreten der Agoraphobie findet man häufig sehr einschneidende Ereignisse

  • Tod oder schwere Erkrankung von Verwandten (Eltern, Partner, Kinder) oder Freunden,
  • eigene schwere Krankheit mit oft unsicherem Ausgang, 
  • Angst vor Tod, Behinderung oder Krankheit, 
  • Ehekrise, Scheidung, Fehlgeburt, 
  • Gefährdung des Arbeitsplatzes, Kündigung, Konkurs, finanzielle Notlage, 
  • Umzug mit sozialer Isolierung, 
  • öffentliche Kränkung, 
  • bewusste physische oder psychische Bedrohung durch jemand, von dem man abhängig ist, 
  • Sinnkrise und Werteverlust im Leben, 
  • Enttäuschung durch einen Verwandten oder Bekannten.


Die Probleme von Menschen mit einer Agoraphobie dürfen nicht reduziert werden auf eine Furcht vor agoraphobischen Situationen. 

Die Angst ohnmächtig zu werden, physisch zusammenzubrechen, psychisch aus dem Tief nicht mehr herauszukommen, geistig durchzudrehen, keinen Ausweg mehr zu wissen, buchstäblich „in der Falle zu sitzen“ u.a. stellt die Reaktion auf reale und nicht nur auf befürchtete Umstände dar. 

Traumatisierende Erlebnisse aus früherer Zeit (z.B. Scheidung der Eltern) werden in neuen Situationen (z.B. Krise der eigenen Ehe) immer wieder gefürchtet. 

Konkrete existentielle Verwundungen haben dazu geführt, dass das frühere Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten verloren gegangen ist, sodass man sich allen weiteren potentiellen Bedrohungen der eigenen Person schutzlos ausgeliefert fühlt. 

Allein gelassen zu sein – eben auch in agoraphobischen Situationen – aktiviert die fundamentale Erfahrung von Hilflosigkeit, Ausgeliefert-Sein und Geborgenheitsverlust, sodass Sicherheitssignale wie eine Person mit unbedingtem Vertrauen oder sonstige Hilfen zentrale Bedeutung gewinnen. 

Die wesentlichsten Therapieziele sind die Verbesserung des Sicherheitsgefühls und der Aufbau von Kompetenz.

 

Der Schlüssel: „Tu das, wovor du dich fürchtest, und die Furcht stirbt einen sicheren Tod!“

 

Das ist der einzig wirksame und Erfolg versprechende Weg heraus aus der Angst-Spirale: eine umfassende Konfrontationstherapie.

Dabei konfrontiert sich der Betroffene mit allen gefürchteten äußeren Reizen (Orten und Situationen) und mit den aufgetretenen inneren Zuständen (bestimmten körperlichen Symptomen, Gefühlen, Gedanken und Vorstellungen). 


Die Konfrontation mit äußeren Situationen ohne Vermeidungsstrategien ist oft nur der Anstoß, sich endlich auch mit den gefürchteten inneren Zuständen auseinanderzusetzen. 

Sie stehen allzu oft „hinter“ der Agoraphobie und müssen ebenfalls bewältigt werden: 
 

  • Gefühle wie Ärger, Wut, Enttäuschung über bestimmte Personen,
  • Hilflosigkeit, 
  • körperliche und geistige Kontrollverlustängste,  
  • das Ausgeliefertsein gegenüber anderen Menschen,  
  • die Verletzlichkeit gegenüber einem Partner, wenn man sich auf ihn einlässt,  
  • die Angst, nicht geliebt und verlassen zu werden, 
  • die Angst, von anderen kritisiert und abgelehnt zu werden, 
  • die Gefahr, seinen Ruf und sein Sozialprestige zu verlieren,
  • Unsicherheiten in der Familie und auf dem Arbeitsplatz,  
  • die Gefahr einer schweren Erkrankung (z.B. Krebs) oder einer körperlichen Behinderung,
  • die Möglichkeit eines zu frühen Todes.

Zwei Grundformen von Agoraphobie: der Einfluss von Panikattacken

 
Nach dem ICD-10 unterscheidet man - wie bereits erwähnt - zwischen Agoraphobie mit und ohne Panikstörung, was im Folgenden ausführlicher erläutert wird als weiter oben.  
 
 

Agoraphobie mit Panikstörung

 
Eine Agoraphobie mit Panikstörung hat mit Panikattacken begonnen und/oder geht mit situationsspezifisch erwarteten Panikattacken einher.

Eine einzige heftige Panikattacke kann ausreichen, dass ähnliche Situationen vermieden werden, um eine neuerliche traumatisierende Erfahrung zu verhindern.

Die erste Panikattacke erfolgt oft nicht in einer Stresssituation, sondern in einer belanglosen oder entspannenden Situation außer Haus, wie etwa bei einem Bummel in einem Supermarkt, einer Fahrt auf der Autobahn oder einem Essen im Restaurant.

Dies hängt damit zusammen, dass Panikattacken häufig in Nachstress-Situationen auftreten, falls sie nicht durch akute Emotionen, etwa wie massiver Ärger oder plötzliche Verlustangst, ausgelöst werden.

Eine Panikattacke ist definiert als eine einzelne Episode von intensiver Angst oder Unbehagen, die abrupt beginnt, innerhalb weniger Minuten einen Höhepunkt erreicht und mindestens vier der bereits genannten 14 Angstsymptome umfasst (davon muss eines aus der Gruppe der vegetativen Symptome 1.-4. stammen).

Drei Symptombereiche stehen bei der Mehrzahl der Betroffenen im Mittelpunkt der Angst machenden Erfahrung, die Kontrolle über sich zu verlieren: Herz-Kreislaufsymptome, Atembeschwerden und Schwindelgefühle.

Eine reine Panikstörung besteht aus wiederholten Panikattacken, die nicht auf spezifische Situationen oder Orte bezogen sind und oft spontan auftreten, das heißt ohne sichtbare äußere Auslöser und somit nicht vorhersehbar.

Die Panikattacken stehen in keinem Zusammenhang mit besonderer Anstrengung, gefährlichen oder lebensbedrohlichen Situationen.

Wenn Panikattacken nur in bestimmten Situationen auftreten und nur an diesen Orten erwartet und gefürchtet werden, besteht mangels spontaner Panikattacken keine reine Panikstörung, sondern eine Agoraphobie mit Panikstörung.

Situationsspezifisch erwartete Panikattacken drücken das Ausmaß der jeweiligen Phobie aus (Agoraphobie, soziale Phobie oder spezifische Phobie).

Agoraphobiker mit Panikattacken haben zumindest die erste Panikattacke als lebensbedrohliche Erfahrung in ihrem Gehirn gespeichert.

Als solche wird sie auch immer wieder erinnert, ähnlich wie ein Trauma (z.B. Unfall, Überfall, Vergewaltigung), obwohl die Betroffenen durch oft mehrmalige ärztliche Untersuchungen und Versicherungen wissen, dass sie gesund sind und durch Panikattacken nicht sterben können.

Eine einzelne Panikattacke kommt auch bei Gesunden vor und stellt noch keine krankheitswertige Beeinträchtigung dar.

Erst die Bewertung der an sich harmlosen körperlichen Symptome als vielleicht doch bedrohlich sowie die falschen Problemlösungsversuche und die Unfähigkeit, erfolgreich damit umgehen zu können, machen Panikattacken zu einer krankheitswertigen Störung.

Menschen mit erlebten und daher gefürchteten Panikattacken neigen vor allem zu folgenden Fehlinterpretationen akut auftretender, medizinisch jedoch völlig unbedenklicher Symptome:

  • „Mein Herz rast und mein Blutdruck steigt – gleich bekomme ich einen Herzinfarkt.“
  • „Ich spüre ein Beklemmungsgefühl im Brustkorb, und ich kann nicht richtig durchatmen – gleich werde ich hilflos ersticken.“ 
  • „Meine Kehle schnürt sich zusammen – gleich bekomme ich keine Luft mehr.“
  • „Ich spüre einen Druck im Kopf – gleich erleide ich einen Schlaganfall.“
  • „Ich fühle mich schwindlig – gleich falle ich um.“
  • Ich kann nicht mehr klar denken, meine Person und die ganze Umwelt wirken so verändert – gleich werde ich verrückt und in die geschlossene Psychiatrie eingeliefert.“
  • „Ich bin zum Zerreißen angespannt und kann mich bald nicht mehr kontrollieren – dann werde ich anderen Menschen oder vielleicht sogar mir selbst etwas Schlimmes antun.“

 
Bei manchen Betroffenen besteht keine Todesangst, sondern die Angst, durchzudrehen, unkontrolliert zu handeln oder unangenehm aufzufallen.

Sie haben in Zusammenhang mit Panikattacken viel größere Angst um ihren Verstand als um ihre körperliche Unversehrtheit.

Auch wenn Agoraphobiker mit Panikattacken überzeugt sind, dass sie in einem Flugzeug nicht abstürzen und in einem Lift nicht ersticken werden, kann die Angst vor peinlicher Auffälligkeit im Fall einer Panikattacke oder einer panikähnlichen Symptomatik doch dazu führen, dass derartige Situationen so weit wie möglich vermieden werden.

Im Laufe der Zeit nimmt die Zahl der Panikattacken auch unbehandelt häufig ab, allerdings zugunsten einer ständigen Angst vor der Angst, die als Erwartungsangst bekannt ist.

Die Betroffenen vermindern das Ausmaß ihrer Panikattacken um den Preis, dass sie bewusst und unbewusst alle Situationen vermeiden, die ihnen Angst, Furcht und Panik einflößen. Aufgrund des ausgeprägten Vermeidungsverhaltens verspüren sie umso weniger Angst und Furcht, je ausgeprägter ihre Agoraphobie ist.

Eine „sekundäre“ Agoraphobie mit Panikstörung kann auch nach einer schweren, lebensbedrohlichen Erkrankung auftreten, wie etwa nach einem Herzinfarkt, einem Schlaganfall oder einer Lungenembolie. Die Betroffenen können dann entweder nicht allein zu Hause bleiben oder nicht ohne Begleitung das Haus verlassen. 

Dahinter steht die Angst vor der Wiedererkrankung und nicht vor den medizinisch völlig harmlosen Panikattacken. 

Ehemals schwer Erkrankte können im ersten Moment oft nicht unterscheiden, ob es sich um organisch oder psychisch bedingte Symptome handelt. 

Dasselbe gilt auch für Diabetiker vom Typ 1, die nicht gut genug zwischen Unterzucker (Hypoglykämie) und einer beginnenden Panikattacke differenzieren können. 
 
 

Agoraphobie ohne Panikstörung 

 
Menschen mit Agoraphobie ohne Panikstörung fürchten und vermeiden vor allem bestimmte Einzelsymptome, vor allem Schwindel, Ohnmacht, Harn- oder Stuhldrang.

Eine derartige Agoraphobie hängt oft, jedoch nicht immer mit einer somatoformen Störung, einer Hypochondrie oder einer sozialen Phobie zusammen.

Zahlreiche Betroffene leiden unter einer somatoformen Störung, das heißt unter verschiedenen körperlichen Symptomen, die zwar wie organisch bedingt ausschauen, jedoch medizinisch gesehen relativ harmlos sind.

Es handelt sich um sogenannte „funktionelle“, nicht erheblich organisch bedingte körperliche Störungen, die früher als „psychogen“ bezeichnet wurden.

Der Zustand der Betroffenen lässt sich am besten folgendermaßen charakterisieren: „Subjektiv sehr schlechtes Befinden bei objektiv unbedenklichen medizinischen Befunden“.

Ein Teil der Agoraphobiker ohne Panikattacken leidet erheblich unter den unangenehmen somatoformen Symptomen, wie etwa allgemeine muskuläre Verspannung, ständige Schwindelgefühle, sensibler Magen-Darm-Trakt, harmlose Herz-Kreislaufbeschwerden und Hautirritationen bis hin zu Schmerzen. Bei einer Dauer von mehr als zwei Jahren spricht man im Fall von multiplen Beschwerden von einer Somatisierungsstörung.

Eine einzelne vegetative Störung, wie etwa unangenehme Herzsensationen, ein Hyperventilationssyndrom, eine Reizblase oder ein Reizdarmsyndrom, gilt im ICD-10 als somatoforme autonome Funktionsstörung.

Für viele Menschen mit einer Agoraphobie stellt vor allem eine ganz bestimmte Einzelsymptomatik den Grund des Vermeidungsverhaltens dar, nämlich ein somatoformer Schwindel, der zur Kategorie „sonstige somatoforme Störungen“ zählt. Darauf wird im Folgenden näher eingegangen.

Ein anderer Teil der Agoraphobiker ohne Panikattacken leidet weniger unter den somatoformen Symptomen als solchen, sondern vielmehr unter der Angst, dass dahinter doch eine gefährliche Krankheit stehen könnte. Dann bestehen häufig bereits seit langem erhöhte Krankheitsängste. Die dauernde Interpretation harmloser körperlicher Symptome als bedrohlich wird bekanntlich Hypochondrie genannt.

Ein weiterer Teil der Agoraphobiker ohne Panikstörung hat weder eine somatoforme Störung noch eine erhöhte Krankheitsängstlichkeit, sondern leidet eher unter der Angst vor peinlicher Auffälligkeit im Sinn einer leichten sozialen Phobie. Ohnmächtig umfallen bedeutet dann eine Blamage in aller Öffentlichkeit.

Betroffene können selbst am besten beurteilen, mit welchen Aspekten (somatoformen Störungen, Krankheitsangst oder Angst vor sozialer Auffälligkeit) die folgenden Symptome zu tun haben könnten:
 

Schwindelgefühle
 
Nichtorganische Schwindelgefühle sind häufig bedingt durch chronische muskuläre Verspannungen im ganzen Körper, verstärkt im Schulter-Nacken-Bereich, die zu einer Stand- und Gangunsicherheit führen.

Diese weit verbreitete „psychogene“ Schwindelform wird akut als phobischer Attackenschwindel und chronisch als Schwankschwindel oder somatoformer Schwindel bezeichnet. Der Boden scheint zu schwanken und die Betroffenen haben das Gefühl, die Kontrolle über das Gleichgewicht zu verlieren.

Fachärztliche Untersuchungen beim Internisten, HNO-Arzt, Neurologen und Augenarzt bleiben ohne Organbefund. Der Schwindel wird von den Betroffenen dennoch oft als Anzeichen einer akuten Herz- oder Kopferkrankung interpretiert.

Derartige Schwindelgefühle hängen oft mit der Angst vor der eigenen Schwäche und Hilflosigkeit zusammen.

Die Betroffenen leben von klein auf nach dem Motto: „Sei immer stark, reiß‘ dich auch bei Beschwerden stets zusammen, gehe niemals zu Boden und zeige keinerlei Schwäche.“


Herzklopfen und/oder leichter Blutdruckanstieg

Die ständige Sorge um das Herz angesichts harmloser Herz-Kreislaufsymptome, wie etwa leichte Pulsbeschleunigungen, harmlose Rhythmusstörungen oder erregungsbedingte Blutdruckschwankungen, ist als Herzphobie bekannt (Fachausdruck: „somatoforme autonome Funktionsstörung, kardiovaskuläres System“).

Die Betroffenen sprechen zwar oft von „Panikattacken“, genau genommen sind es jedoch keine. Es dominiert einfach „nur“ die Panik, dass das Herz bereits etwas Schlimmes haben oder noch bekommen könnte.

Ungefährliche Herzrhythmusstörungen werden fachärztlich oft als „supraventrikuläre Arrhythmien“ diagnostiziert, das heißt es besteht kein potenziell gefährliches Vorhofflimmern.

Ein falscher Herzinfarkt-Alarm geht häufig auch von einem sogenannten atypischen linksthorakalen Brustschmerz aus, der nicht mit dem Herzen, sondern mit Verspannungen im Brustkorb zu tun hat, insbesondere mit einer schmerzhaft verspannten Zwischenrippenmuskulatur, aber auch mit einer Verspannung im ganzen Schulter-Nacken-Bereich, die sich bis zur Körpervorderseite erstreckt.
 

Ohnmachtsgefühle
 
Schwindelgefühle werden häufig trotz normalem Blutdruck als bevorstehende Ohnmacht interpretiert und daher dementsprechend gefürchtet.

Manche Betroffene sind in der Hitze eines Urlaubslandes, bei Flüssigkeitsmangel, bei langem Stehen ohne Bewegung in einem überhitzten Raum oder aus Erschöpfung einmal kollabiert und schränken seither aus Angst vor neuerlicher Ohnmacht ihren Aktionsradius ein. Das ist wichtig zu wissen: Eine Panikattacke bewahrt vor einem Kollaps, weil dabei der Blutdruck steigt und nicht fällt.

Häufig besteht die Angst, vor anderen Menschen umzufallen und dadurch in peinlicher Weise aufzufallen. Trotz panischer Angst vor neuerlichem Umfallen besteht angesichts von Schwindel- und Ohnmachtsgefühlen keine Panikstörung, sondern eine Agoraphobie ohne Panikstörung.
 

Engegefühle und unangenehmer Druck im Brustkorb

Ein Beklemmungsgefühl im Brustkorb hängt häufig mit einer Lungenweitstellung bei Angst zusammen, um mehr Sauerstoff aufnehmen zu können.

Der vermehrt eingeatmete Sauerstoff wird jedoch mangels Bewegung nicht zu den Organen weitertransportiert. Häufig besteht gleichzeitig auch eine muskuläre Verspannung im Brust- und Schulter-Nacken-Bereich.

In der Folge davon kommt es zu einem Beklemmungsgefühl, das fälschlicherweise als „Luftmangel“ interpretiert wird. Die Betroffenen ringen nach Luft und fangen sogar zu hyperventilieren an.

Aufgrund des inneren Beengtheitsgefühls werden Situationen gemieden, die eine äußere Beengtheit darstellen, wie etwa enge und/oder geschlossene Räume – ein Verhalten, das früher als „Klaustrophobie“ bezeichnet wurde.

Die Erstickungsangst in engen Räumen, wie etwa Aufzügen oder unterirdischen Gängen, ist völlig unbegründet.

Es ist in diesen Situationen hilfreich, sich mit beiden Beinen zu bewegen, wie etwa im Stand zu laufen oder mit beiden Füßen fest auf den Boden zu treten und dabei auszuatmen.


Hyperventilation

Starke Angst, Furcht und Erregung können zu einer raschen und flachen Atmung im Sinn einer Hyperventilation führen.

Es kommt zu einer übermäßigen Sauerstoffaufnahme und zu einer überhöhten Kohlendioxidabgabe.

Das Ungleichgewicht von Sauerstoff und Kohlendioxid wirkt sich ohne Bewegung subjektiv als Atemnot aus, obwohl sich tatsächlich zu viel Sauerstoff in der Lunge befindet, der jedoch mangels Bewegung nicht zu den Organen weitertransportiert wird.

Das Beklemmungsgefühl verstärkt die Neigung zur Hyperventilation. Eine derartige „Überatmung“ bewirkt ohne Bewegung im Extremfall heftige Krämpfe (Tetanien) und Gefäßverengungen mit Missempfindungen auf der Haut.

Diese subjektiv bedrohlich wirkenden körperlichen Vorgänge sind medizinisch gesehen jedoch völlig ungefährlich.


Schwitzen
 
Schweißausbrüche und andauerndes Schwitzen sind nicht nur persönlich, sondern auch in sozialer Hinsicht unangenehme Körperreaktionen, sodass alle möglichen Situationen vermieden werden, wo sie auftreten könnten, wie etwa überfüllte Kaufhäuser, öffentliche Verkehrsmittel oder überhitzte Räume ohne offenes Fenster.

Schwitzen ist eine vorbeugende Kühlung des Körpers angesichts einer erregungsbedingten Herz-Kreislauf-Ankurbelung. Medikamentös werden oft kurzfristig sogenannte Beta-Blocker zur vegetativen Beruhigung verschrieben.
 

Übelkeit
 
Bis hin zum Brechreiz ohne tatsächliches Erbrechen kann Übelkeit der Grund für ein agoraphobisches und/oder soziales Vermeidungsverhalten sein, vor allem dann, wenn man nicht jederzeit an die frische Luft oder auf die Toilette gehen kann, wie dies etwa bei Veranstaltungen mit geschlossenen Räumen der Fall ist.
 

Harn- oder Stuhldrang
 
Ein Kontrollverlust über die Ausscheidungsorgane ist nicht nur persönlich, sondern auch vor anderen Menschen peinlich.

Ähnlich wie für Menschen mit Panikattacken und Herzphobie die Nähe von medizinischen Behandlungseinrichtungen beruhigend wirkt, fühlen sich Menschen mit Harn- und/oder Stuhldrang bereits wohler, wenn sie wissen, dass sie jederzeit eine Toilette aufsuchen könnten – anderenfalls reagieren sie mit einem agoraphobischen Vermeidungsverhalten.
 

Auffälliges Zittern
 
Zittern in Angstsituationen ist der sichtbare Ausdruck der muskulären Verspannung aufgrund einer Kampf-Flucht-Reaktion ohne Aktivität, wie diese in engen oder überfüllten Räumen tatsächlich kaum möglich ist.

Die Betroffenen verbinden ihr äußerlich meist gar nicht sichtbares inneres Zittern häufig mit einer Art „Nervenschwäche“ in den Augen der anderen Menschen und meiden daher beispielsweise das Essen und Trinken in öffentlichen Räumen, weil sie durch Händezittern sozial auffällig werden könnten.
 

Unangenehme Kribbel- oder Taubheitsgefühle
 
Ohne Organbefund hängen derartige körperliche Missempfindungen oft mit muskulärer Verspannung zusammen. 

Wenn sie jedoch als mögliches Anzeichen von Schlaganfall interpretiert werden, neigen die Betroffenen zu einem agoraphobischen Vermeidungsverhalten und halten sich lieber im Bereich des gewohnten medizinischen Versorgungsbereichs auf. 

Konfrontationstherapie: Stellen Sie sich allen Angstsituationen! 

 
Agoraphobische Ängste vergehen nicht von alleine. Sie müssen schon etwas tun! So schlimm es vielleicht zunächst klingen mag: Sie müssen sich der Angst aussetzen! Sie müssen in die Angstsituation hineingehen, nur eben anders als bisher! 

Eine Konfrontationstherapie ist – in Ergänzung zu anderen Strategien – die erfolgversprechendste Methode bei Panikattacken, Agoraphobie, spezifischen Phobien, spezifischer Sozialphobie, Zwangsstörung und teilweise auch bei posttraumatischer Belastungsstörung. 

Halten Sie sich immer vor Augen: Angst lebt von der Vermeidung. Nur wenn Sie sich der Angst stellen, werden Sie diese überwinden. 

Übermäßig lange Ursachenforschung verzögert nur den Prozess der Veränderung und der aktiven Auseinandersetzung mit der Angst. 

Oft verläuft der Prozess sogar gegenläufig und Sie erkennen erst nach der Beseitigung die wahren Ursachen Ihrer Ängste. 

Halten Sie sich an das Motto: „Man hat etwas erst dann verstanden, wenn man es verändert hat.“ 

An diesem Punkt scheiden sich die Geister der Psychotherapeuten: Verhaltenstherapeuten und Psychoanalytiker gehen diesbezüglich völlig unterschiedlich vor – auch wenn schon Sigmund Freud seine agoraphobischen Ängste durch eine Vorgangsweise therapiert hat, die man heutzutage als verhaltenstherapeutische Strategie bezeichnen würde.

Sigmund Freud empfahl allen Psychoanalytikern, ihre phobischen Patienten zur direkten Konfrontation mit den angstmachenden Reizen anzuhalten, da sonst bei der psychoanalytischen Technik der freien Assoziation kein relevantes Material zu Tage gefördert werden könnte. 

Andererseits anerkennen Verhaltenstherapeuten heute, dass Ängste nicht nur erlernt und nicht immer so einfach wieder verlernt werden können, sondern mit tiefer liegenderen persönlichen oder interaktionellen Konflikten zusammenhängen können.

 

 

Zwei Formen der Konfrontationstherapie: gestuft und massiert

 

Es klingt fast paradox: Die ganze Macht Ihrer Phobien kommt allein daher, dass Sie diese unbedingt und mit allem Mitteln vermeiden wollen! Dadurch wächst in Ihnen auch die Überzeugung, die betreffende Situation könnte tatsächlich gefährlich sein. 

Eine Agoraphobie sowie die meisten Phobien können Sie am besten durch eine Konfrontationstherapie überwinden, die Ihre Angstspirale unterbricht und Ihnen die anhaltende Erfahrung vermittelt, dass Ihre Befürchtungen unbegründet sind. 

Dies ist anfangs sicherlich eine anstrengende Therapie, bringt jedoch rasch Erfolge. Sie stellen sich dabei allen Angst auslösenden Situationen gezielt nach dem Grundsatz „Standhalten statt flüchten“. 

Halten Sie sich immer vor Augen: Nichts wird Sie mehr motivieren als der sichtbare Erfolg. 

Durch die Erfahrung, dass Sie auch die stärkste Angst aushalten können und nach einiger Zeit (15-30 Minuten) ruhiger werden, ändern sich auch Ihre Einstellungen. 

Sie erleben, dass Sie Angst aushalten können, daher gewinnen Sie die Zuversicht, dass Sie auch zukünftig Angst durchstehen können. Ein verlockendes Ziel, nicht? 

Sie können die Konfrontation mit der Angst auf zweifache Art und Weise aufnehmen:


1.  Gestufte Konfrontation


Sie lernen dabei, in kleinen Schritten immer schwierigere Aufgaben zu bewältigen. Auf diese Weise bauen Sie langsam Ihr Vertrauen zu sich und zur Umwelt auf und vermeiden jede Überforderung (auch eine heftige Panikattacke). 

Diese Vorgangsweise empfehle ich jenen, die ihre Agoraphobie ohne psychotherapeutische Unterstützung bewältigen wollen sowie jenen, die auf keinen Fall, egal aus welchen Gründen, eine Kontrollverlusterfahrung im Sinne einer Panikattacke erleben möchten. 


2.  Massierte Konfrontation (Reizüberflutung) 


Bei dieser Methode stellen Sie sich sofort Ihren größten Ängsten, und zwar mit der Bereitschaft zu einer Panikattacke. 

Dieses Vorgehen empfehle ich Ihnen vor allem dann, wenn Sie früher ein mutiger Mensch waren und sich nicht vor jenen Situationen gefürchtet haben, die für Sie heute ein Problem darstellen. 

Ihre Angst vor bestimmten, an sich harmlosen und früher leicht bewältigbaren Situationen kommt wahrscheinlich daher, dass Sie mindestens einmal bei einer solchen Gelegenheit eine Panikattacke oder eine panikähnliche Symptomatik erlebt haben. 

Im Rahmen eines Selbsthilfeprogramms wird die gestufte Konfrontationstherapie empfohlen, da die massierte Konfrontationstherapie (Flooding) gewöhnlich eine Überforderung darstellt. 

 

 

Das bewährte Powerprogramm – den Teufelskreis durchbrechen

 

Die zehn wichtigsten Selbstinstruktionen im Umgang mit angstmachenden Situationen


  1. Meine Angstgefühle und die dabei auftretenden körperlichen Symptome sind verstärkte normale Stressreaktionen.
  2. Ich bin und bleibe körperlich gesund trotz der Angstreaktionen.
  3. Ich schwäche meine Angstreaktionen, wenn ich an etwas anderes denke.
  4. Ich bleibe trotz Panikgefühlen in der Realität. Ich beobachte und beschreibe, was ich momentan wirklich erlebe. 
  5. Ich warte in der Situation, bis die Angst vorübergeht.
  6. Ich beobachte, wann und wie die Angst von allein wieder abnimmt. 
  7. Ich gebe mir eine Chance, einen Fortschritt zu machen und stelle mich jeder Angstsituation ohne Vermeidung.
  8. Ich führe jede Übung bis zum Abschluss durch.
  9. Ich kann stolz sein auf meine bisherigen Bemühungen und Erfolge, auch die kleinsten.
  10. Ich nehme mir Zeit für die Übungen. 

 

 

Die folgenden Handlungsanleitungen ermöglichen Ihnen eine rasche Bewältigung von Platzangst und spezifischen Phobien. 

 

Konkrete Übungsziele stufenweise erreichen – So wächst langsam das Selbstvertrauen


Legen Sie klare und konkrete Übungsziele auf einer Liste fest und ordnen Sie diese der Schwierigkeit nach.

Die Beschreibungen müssen so exakt sein, dass bei den Übungen Missverständnisse ausgeschlossen sind (z.B. 30 Minuten lang in einem Supermarkt umhergehen, 20 Minuten mit einem öffentlichen Verkehrsmittel fahren, gleichgültig wie es Ihnen dabei geht).

Gehen Sie schrittweise vor. Beginnen Sie mit den leichtesten Übungen, wenn Sie sich anfangs wenig zutrauen.

Auf diese Weise sichern Sie sich Erfolgserlebnisse, die Ihnen Mut und Zuversicht für das weitere Übungsprogramm geben.

Stellen Sie sich im Laufe der Zeit immer schwierigeren Situationen, bis Sie auch diesen erfolgreich begegnen können.

Notieren Sie alle Konfrontationsübungen in Ihrem Angsttagebuch nach Zeit, Ort, Art und Dauer der Übung sowie Ihrem jeweiligen Befinden vor, während und nach der Konfrontation. 

 

Übung macht den Meister – So werden Fortschritte gefestigt


Wiederholen Sie die einzelnen Übungen bis zu dreimal täglich. Besuchen Sie z.B. mehrere große Geschäfte hintereinander, um Ihre Erfolge zu festigen und Ihr Selbstvertrauen zu stärken. 

Die wiederholte Erfahrung, dass Ihre Befürchtungen unbegründet sind, stärkt zunehmend Ihr Vertrauen zu sich und vermindert Ihre Erwartungsängste. 

Auf diese Weise beruhigt sich Ihr Nervensystem im Laufe der Zeit und wird nur mehr dann Alarm schlagen, wenn tatsächlich Gefahr droht. 

Rechnen Sie damit, dass Sie gute und schlechte Tage haben und Ihnen die Übungen einmal leichter und einmal schwerer fallen werden. 

Üben Sie in den nächsten Wochen so oft wie möglich täglich mindestens 2-5 Stunden lang. Regelmäßiges Üben schafft rasch neue Gewohnheiten, während gelegentliches Üben stets neue Aufregung verursacht. 

Je öfter Sie etwas tun, um so selbstverständlicher wird es für Sie. Lassen Sie sich am besten täglich auf eine Konfrontation mit der Angst ein, indem Sie sich in angstbesetzte Situationen begeben und so lange darin bleiben, bis Ihre Angst abnimmt oder überhaupt verschwindet. 

Wenn Sie einmal keine Fortschritte machen sollten, weil die Ziele zu hoch waren, wählen Sie Zwischenziele, um doch Erfolgserlebnisse zu haben. 

Viele Angstpatienten sehen die kleinen Fortschritte nicht, weil sie zu große Erwartungen haben. 

Loben Sie sich und belohnen Sie sich dafür, wenn Sie einen kleinen Schritt vorangekommen sind. Schließlich ist das Erreichte für Sie nicht selbstverständlich. 

 

Schwankungen sind normal – So überwindet man Tiefschläge 


Üben Sie auch dann, wenn es Ihnen einmal nicht so gut geht, dann vielleicht etwas weniger lang. 

Führen Sie Ihr Trainingsprogramm unabhängig von Ihrer Befindlichkeit durch. Sie brauchen die Erfahrung, dass Sie Ihre Ängste auch dann bewältigen können, wenn diese nach vorübergehender Besserung in einem Stimmungstief wieder vermehrt auftreten sollten. 

Für Angstbewältigungsübungen müssen Sie nicht topfit sein. 

Rechnen Sie mit Rückschlägen, ohne dass Sie sich davor fürchten, und nutzen Sie diese als Chance, daraus etwas zu lernen. 

Die stärksten Rückschläge erfolgen oft in Zusammenhang mit einer Panikattacke. In diesem Fall sollten Sie erkennen, dass eine gestufte Angstbewältigung allein unzureichend ist, weil Sie dabei nicht lernen, mit starken Ängsten im Ausmaß einer Panikattacke umzugehen. 

 

Den Angstabfall abwarten – So verschwindet die Angst 


Packen Sie den Stier bei den Hörnern: Suchen Sie alle angstbesetzten Situationen auf und bleiben Sie idealerweise so lange darin, bis Ihre Angst nachlässt! 

Gestatten Sie sich eine Fluchtmöglichkeit, jedoch in der Absicht, später die gefürchtete Situation neuerlich aufzusuchen. 

Die frühere Empfehlung, eine aufgesuchte Angstsituation aus Angst und Panik auf keinen Fall verlassen zu dürfen, weil dann die Angst immer größer werde, ist durch die Forschung (und auch durch meine jahrzehntelange therapeutische Erfahrung) nicht bestätigt worden. 

Es ist typisch, dass Ihre körperlichen Symptome vorübergehend stärker werden, aber im Laufe der Zeit werden Sie sich daran gewöhnen und die Alarmierung Ihres Körpers wird ganz von allein abnehmen. 

Ihre Angst bleibt nur dann bestehen, wenn Sie sich ständig gegen das Aufkommen der Angst wehren und infolgedessen Ihre Stresshormone aktivieren. 

Warten Sie in Angstsituationen ab, bis die körperlichen Angstsymptome von allein abnehmen. 

Sie brauchen oft nur 15, höchstens 30 Minuten durchzuhalten, bis die größte Angst vorbei ist und Ihr Körper sich an die Situation gewöhnt hat, sodass Sie die verbleibende Anspannung ertragen können. 

Beobachten Sie, wie Ihre Angst von allein wieder abnimmt, wenn Sie aufhören, sich in Ihre Gedanken und Phantasien „Was wäre, wenn…“ weiter hineinzusteigern. 

 

Idealerweise keine Flucht aus Angstsituationen – So ist man stärker als die Angst 


Stellen Sie sich allen Angstsituationen - idealerweise ohne auszuweichen. Denn Sie wissen ja schon: Angst lebt von der Vermeidung! 

Verlassen Sie eine angstmachende Situationen möglichst erst dann, wenn Ihre Angst auf ein erträgliches Ausmaß abgesunken ist. 

Verwenden Sie dazu ein subjektives „Angstthermometer“ mit einer Skala von 0-10, wobei 1-4 erträgliche, 5-8 schwer erträgliche und 9-10 fast unerträgliche Angst bedeutet. 

Für eine erfolgreiche Angstreduktion reicht es aus, wenn Ihre Angst von 7-8 auf 3-4 zurückgeht. 

Verzichten Sie wenigstens einmal probeweise mutig auf jede reale und mentale Fluchtmöglichkeit und bestärken Sie sich darin immer wieder („Ich halte durch, was auch immer passiert!“), denn jeder Fluchtgedanke („Nichts wie weg!“) führt zu einer unnötigen körperlichen Aktivierung. 

Auf diese Weise können Sie überprüfen, ob Ihre Befürchtungen eintreten oder nicht. Wenn Ihnen diese Methode jedoch allein und ohne Hilfsmittel zu riskant erscheint, gestatten Sie sich stets die Fluchtmöglichkeit.

Was zählt, ist jede Form von Fortschritt bezüglich des Einlassens auf bestimmte Situationen, auch wenn Sie aus einer gefürchteten Angstsituation schließlich doch geflüchtet sind. 

Was zählt, ist der Umstand, dass Sie später dieselbe Situation wieder aufsuchen, um sie schließlich doch erfolgreich zu bewältigen.

Lernen Sie, in bestimmten gefürchteten Situationen das Gefühl auszuhalten, vorübergehend „in der Falle“ zu sitzen. 

Gedanken an Flucht bewirken über die vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen bereits eine Kampf-Flucht-Reaktion. 

Die Ausschüttung des Stresshormons Noradrenalin im Hirnstamm bewirkt blitzschnell eine Bereitschaftsreaktion - einen Zustand, den man am besten mit der Bezeichnung "Auf-dem-Sprung-Sein" charakterisieren kann. 

Sobald Sie auf Flucht verzichten, wird Ihre Anspannung bald nachlassen, weil Sie sich zum Bleiben entschlossen haben. 

 

Nach kurzer Auszeit wieder in die Angstsituation – So wird die Übung doch ein Erfolg


Entfernen Sie sich bei übermäßiger Angst nur ein kleines Stück vom angstbesetzten Ort. 

Vermeiden Sie anfangs jede Flucht, um neue Erfahrungen machen zu können. Kehren Sie nach einer kurzen Erholungspause wieder in die Situation zurück, um auch diese Übung mit einem Erfolgserlebnis zu beenden. 

Wenn Sie aus Angst eine Situation verlassen haben, führen Sie dieselbe Aufgabe möglichst noch am gleichen Tag erfolgreich durch. Auf diese Weise überwinden Sie rasch Ihre Misserfolgserlebnisse. 

 

„Angstfrei“ ist anfangs unrealistisch – So kann man sich der Angst trotz Angst stellen 


Beginnen Sie Ihr Angstbewältigungstraining nicht damit, dass Sie sich vornehmen, keine Angst mehr zu haben, sondern damit, dass Sie die Entscheidung treffen, sich allen angstmachenden Situationen zu stellen. Das ist ein sehr großer Unterschied. 

Und erkennen Sie: Allein Ihre Bereitschaft, jede Angstvermeidung aufzugeben, ist schon der erste Schritt zur Angstüberwindung. 

Sagen Sie sich: „Ich bin bereit, mich auf meine Angst einzulassen und alle unangenehmen körperlichen Zustände auszuhalten.“ 

Es kommt beim Üben nur darauf an, Ihre Angst zu bewältigen – nicht keine Angst zu haben oder gar sie zu vermeiden. Lernen Sie, mit Ihrer Angst umzugehen und nicht, sie zu umgehen. 

Verzichten Sie auf das unrealistische Ziel eines angstfreien Lebens und nehmen Sie sich vor, trotz Ihrer Ängste alles anzugehen, was Ihnen wichtig erscheint. 

„Angstfrei“ leben kann nur bedeuten, dass Sie mit den vorhandenen Ängsten gut zurechtkommen, weil Sie mutig genug sind, diese auszuhalten, damit sie nicht zu einer lebensbeeinträchtigenden Größe werden. 

Mit dieser Einstellung werden Sie eine angenehme Überraschung erleben: Weil Sie nicht mehr so sehr gegen Ihre Ängste kämpfen, werden Sie vieles bald ohne Angst tun können. Was man nicht in den Mittelpunkt stellt, ist plötzlich verschwunden. 

 

Mit der Angstwelle mitschwimmen – So erspart man sich unnötigen Stress


Bekämpfen Sie Ihre Angst nicht, weil dies nur unnötig viel Kraft kostet. Akzeptieren Sie diese und laufen Sie ihr nicht davon. 

Sagen Sie sich: „Da bist du ja wieder, meine Angst. Ich kenne dich schon gut und weiß, dass du mir nichts anhaben kannst“. 

Eine Panikattacke ist wie eine Meereswelle, die einen überflutet. Es ist besser, mit der Welle mitzuschwimmen, als gegen sie anzuschwimmen. 

Wenn Sie Ihre Angst unterdrücken oder stoppen wollen anstatt sie zu akzeptieren und anzunehmen, bleiben Sie unnötig lange angespannt. 

Der ständige Kampf gegen die Angst kostet Sie enorm viel Kraft und führt zu chronischer Erschöpfung. 

Lassen Sie Ihre Angst zu wie Ihre Tränen in Phasen der Trauer. 

Wenn Ihre Angst bei einer Konfrontation mit den gefürchteten Situationen oder Objekten nach spätestens einer halben Stunde nicht abklingt, ist dies oft dadurch bedingt, dass Sie gegen das Auftreten einer Panikattacke ständig aktiv ankämpfen. Die Angst vor der Angst löst einen neuerlichen Adrenalinstoß aus. 

 

Angst und Panik provozieren – So lässt sich die Erwartungsangst rascher überwinden 


Schrittweises Üben führt kaum zu Panikattacken. Anstelle der Methode „Wasch’ mich, aber mach’ mich nicht nass“ können Sie auch direkt in das „kalte Wasser“ der Angst springen und eine massierte Konfrontation mit den gefürchteten Situationen allein oder mit Hilfe einer vertrauten Person beginnen. Sie lernen dabei, Ihre stärksten Ängste zu provozieren und zu bewältigen. 

Ihre Konfrontationstherapie ist dann am wirksamsten, wenn Sie bewusst gerade jene Situationen aufsuchen, die eine Panikattacke auslösen können. 

Ihr unerschrockenes Verhalten wird Ihnen bald zeigen, dass es gar nicht so leicht ist, eine Panikattacke zu provozieren, wenn Sie bereit sind, diese voll zuzulassen. 

Handeln Sie nach folgenden weisen Sprüchen: „Tu das, wovor du dich fürchtest, und die Furcht stirbt einen sicheren Tod“; „Sieh der Angst ins Antlitz, und der Tod der Angst ist gewiss.“ 

 

Sich selbst vertrauen – So sind Hilfsmittel und Entspannungsübungen überflüssig


Setzen Sie während der Konfrontationsphase keine Entspannungsübungen ein, denn nur, wenn Sie immer wieder die Erfahrung machen, dass die körperlichen Symptome ungefährlich sind, lernt Ihr Angstzentrum im Gehirn, den falschen Alarm abzuschalten. 

Sie müssen ein gewisses erträgliches Ausmaß an Angst erleben, um angstmachende Situationen bewältigen zu lernen. 

Nehmen Sie vor den Übungen idealerweise weder Beruhigungsmittel (Tranquilizer, Alkohol) noch Aufputschmittel (Cola, Kaffee) zu sich. 

Tragen Sie während Ihres Übungsprogramms keine Tabletten und auch kein Handy wie einen Talisman bei sich. 

Verlassen Sie sich von Beginn an idealerweise ganz auf sich selbst. Nur dann können Sie sich alle erreichten Erfolge selbst zuschreiben und damit gehörig an Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein tanken. 

Bevor Sie jedoch eine für Sie bedeutsame Situation vermeiden, verlassen Sie sich lieber auf ein Sicherheitszeichen (z.B. Handy, Mitnahme von Tabletten ohne Einnahme), denn schlussendlich zählt der Erfolg. 

Je mehr Sie sich in angstmachenden Situationen auf sich selbst verlassen, um so schneller werden Sie Ihre Angst in den Griff bekommen. 

Setzen Sie vor Beginn des Angstbewältigungstrainings in Absprache mit Ihrem Arzt alle Beruhigungsmittel langsam „ausschleichend“ ab, falls Sie solche regelmäßig einnehmen. 

 

Keine Horrorphantasien – So bleibt man im Hier-und-Jetzt 


Steigern Sie sich nicht unnötig in Angstsituationen hinein durch Gedanken wie „Gleich wird mir etwas passieren“, „Gleich falle ich um“, „Jetzt muss ich sterben“. 

Ihre Angst wird schneller zurückgehen, wenn Sie nicht ständig lebhafte Vorstellungsbilder entwickeln, was Ihnen alles passieren kann. 

Konzentrieren Sie sich nur auf das, was um Sie herum und mit Ihrem Körper wirklich geschieht, und nicht auf das, was in Ihrer Vorstellung noch alles geschehen könnte. 

Bleiben Sie trotz Ihrer Angst- und Panikgefühle in der Realität, beobachten und beschreiben Sie innerlich haarscharf, was Sie momentan wirklich erleben. 

Halten Sie die Zuwendung auf Ihren Körper aufrecht, ohne aus Angst davor zu Ablenkungsstrategien zu greifen. 

Kommentieren Sie die auftretenden körperlichen Vorgänge etwa folgendermaßen: „Ich spüre, wie mein Herz schlägt, mein Blut in den Kopf steigt, mein Körper etwas zittert, ein flaues Gefühl im Magen entsteht, leichte Schwindelgefühle auftreten. Ich weiß, diese Zustände sind ganz normal, so lange ich mich fürchte. Sie werden erträglicher, wenn ich mich an die angstmachende Situation gewöhnt habe.“ 

 

Hilfreiche Selbstgespräche – So ermutigt man sich selbst 


Sie selbst sind Ihr stärkster, verlässlichster Partner. 

Treten Sie mit sich in einen inneren Dialog, führen Sie konstruktive Selbstgespräche und sagen Sie sich immer wieder: 

„Meine Angstgefühle und die damit verbundenen körperlichen Symptome sind nichts anderes als eine Übersteigerung der normalen Körperreaktionen bei großem Stress. Meine Angst alarmiert meinen Körper und bewirkt eine vermehrte Adrenalinausschüttung. Das ist aufgrund meiner großen Angst völlig normal und lässt nach 5-30 Minuten nach, wenn ich mich an die Situation gewöhnt habe. Schon nach einer Viertelstunde werden meine körperlichen Symptome nachlassen. Meine Angst und deren körperliche Begleitreaktionen sind zwar unangenehm, jedoch nicht gefährlich oder gesundheitsschädigend. Es kann mir wirklich nichts passieren.“ 

Oder sagen Sie sich: „Meine Angst ist immer vor gefürchteten Situationen am größten. Wenn ich doch durchgehalten habe, ist es mir stets gutgegangen und ich habe mich darüber gefreut. Ich lasse mich auch jetzt nicht von meiner Angst vertreiben.“ 

Ein Tipp: Schreiben Sie einige Schlüsselsätze auf einen Zettel oder eine Karteikarte und tragen Sie diese immer bei sich!  

 

Platzangst ist letztlich Angst vor sich selbst – So entsteht eine neue Sichtweise


Halten Sie sich vor Augen, dass Sie letztlich nicht bestimmte Situationen fürchten wie z.B. öffentliche Verkehrsmittel, geschlossene Räume oder Prüfungssituationen, sondern den Umstand, Sie könnten in diesen Situationen die Kontrolle über Ihren Körper oder Ihren Verstand verlieren. 

Sagen Sie sich: „Ich habe Angst, die Kontrolle zu verlieren. Doch dies sind nur meine Gedanken und Gefühle. Tatsächlich wird nichts passieren. Wenn ich die Angst vor meinem Körper aushalte, dann halte ich auch die Angst vor allen anderen Dingen aus.“ 

Diese Selbstinstruktion erleichtert Ihnen das Durchhalten in Angstsituationen. Allerdings – „Gut Ding braucht Weile“. Wenn Sie Gewohnheiten wie etwa ein chronisches Vermeidungsverhalten ändern wollen, brauchen Ihre Gefühle und körperlichen Zustände einige Zeit, Ihren geänderten Einstellungen zu folgen. 

Es ist daher ganz normal, dass Sie sich in bestimmten Situationen, aus denen Sie früher angstvoll geflohen sind, eine Zeitlang noch etwas unwohl fühlen werden, weil Ihr Körper noch nicht zur Ruhe gekommen ist. 

 

Positive Ziele verfolgen – So kämpft man für und nicht gegen etwas


Wir kämpfen letztlich immer für und nicht gegen etwas – so ist es auch bei Ängsten. 

Achten Sie von Beginn Ihres Angstbewältigungstrainings an darauf, dass Sie nicht nur gegen Ihre Ängste kämpfen, sondern auch für Ihre Freiheit, tun und lassen zu können, was Sie wollen und was gut für Sie ist. 

Lernen Sie nicht nur unangenehme Situationen aushalten, die auch weniger ängstliche Menschen ungern erleben, sondern setzen Sie Aktivitäten, die Sie gerne unternehmen möchten. Das motiviert und setzt dem Angstbewältigungstraining eine positive Kraft gegenüber. 

Was haben Sie früher gerne getan? Malen Sie sich in der Phantasie möglichst plastisch aus, wie Sie all diese herrlichen Situationen wieder erleben können, nachdem Sie den „Angst-Aspekt“ erst einmal hinter sich gelassen haben. 

 

Allein sein können ohne Symptome – So wird man unabhängiger von anderen Menschen 


Manche Agoraphobiker sind auch ohne Symptome ungern allein und nur zusammen mit dem Partner oder Bekannten unterwegs. 

Trifft das auch auf Sie zu? Suchen Sie nach Aktivitäten, die Sie gerne ohne andere Menschen außerhalb Ihrer Wohnung unternehmen würden? 

Möchten Sie in Zukunft überhaupt mehr Dinge allein unternehmen? Haben Sie vor Ihrer Agoraphobie kleinere Reisen allein unternommen? 

Ist es nicht normal, dass Ihre Angstbereitschaft sofort steigt, sobald Sie etwas allein tun sollen, das Ihnen gar keinen Spaß macht? 

Sie werden Ihre lebenseinengenden Ängste nur dann dauerhaft überwinden können, wenn Sie wirklich bereit sind, verschiedene Dinge auch allein zu unternehmen und Freude daran finden. 

 

Nur im Notfall Atemtechniken verwenden – So kann man Krisen bewältigen


Wenn Ihre Angst in einer bestimmten Situation einmal fast unerträglich stark wird, können Sie eine bestimmte Atemtechnik einsetzen: atmen Sie bei geschlossenem Mund tief durch die Nase ein, wie wenn Sie Ihren Lieblingsgeruch oder den Duft einer Blume einatmen, und atmen Sie anschließend durch den Mund bei leicht geschlossenen Lippen möglichst langsam aus, wie wenn Sie einen Löffel mit heißer Suppe kühlen würden. 

Nach dem Ausatmen können Sie den Atem noch etwas anhalten, bis der Einatmungsreflex von alleine einsetzt und Sie durch die Nase einatmen. 

Ihre Ausatmungsphase sollte zwei- bis dreimal so lang sein wie Ihre Einatmungsphase. 

Wenn Sie langsamer atmen, verlangsamt sich Ihr Herzschlag, entspannt sich Ihre Muskulatur und vermindert sich Ihr Stoffwechsel. 

Wenn Sie sich bei einer heftigen Panikattacke bewegen, können Sie die vorhandene Anspannung rascher abbauen. 

Schütteln Sie dabei Ihre Arme und Beine fest aus, während Sie ausatmen. 

 

Angehörige als Helfer – So kann der Erfolg beschleunigt werden 


Üben Sie schwierigere Situationen zuerst zusammen mit einem Angehörigen oder einer Vertrauensperson. 

Die Anwesenheit einer vertrauten Person garantiert nicht nur eine rasche Hilfestellung im Bedarfsfall, sondern bewirkt auch eine Ablenkung von der eigenen Person und den auftretenden Symptomen. 

Betrachten Sie jede aufgesuchte Situation jedoch erst dann als bewältigt, wenn Sie diese wiederholt auch allein und ohne weitere Hilfsmittel durchstehen können. 

 

Die Grenzen akzeptieren – zwei Schritte vorwärts, ein Schritt zurück


Eine Konfrontationstherapie wird oft als Wundermittel angesehen, seine lebenseinengenden Ängste für immer loszuwerden. Dies mag beim Großteil der Betroffenen tatsächlich der Fall sein, zumindest im Laufe der Zeit. 

Wenn dies auf Sie jedoch nicht zutrifft, lassen Sie sich nicht entmutigen, sondern gestehen Sie sich ein, dass Sie aufgrund verschiedener Umstände eine stärkere Angstbereitschaft haben als andere Leute. 

Wer vielleicht eine Erschütterung des Urvertrauens erlebt hat, wird sich immer schwerer tun, sich auf neue Situationen einzulassen und Vertrauen in das Ungewisse und seine eigenen Fähigkeiten zu entwickeln als jemand, der im Leben das Glück hatte, von nichts und niemand enttäuscht zu werden und keine bösen Überraschungen zu erleben. 

Denken Sie daran, dass es bei Ihnen dann nicht primär darum geht, keine Angst zu haben, sondern wieder mehr Vertrauen zu sich und zur Umwelt zu finden. 

Angstbewältigungsübungen sind in diesem Sinn vertrauensbildende Maßnahmen. 

 

Übungsvorschläge bei Agoraphobie – Schritt für Schritt unabhängig werden

 

Die folgenden Übungsvorschläge sind Anregungen für Ihr persönliches Trainingsprogramm, das Sie unbedingt ohne vertraute Personen ausführen sollten: 

  • Gehen Sie mindestens eine halbe Stunde in einem Supermarkt, einem Einkaufs- oder Veranstaltungszentrum umher. 
  • Stellen Sie sich bei einer Kasse in einer Schlange mit mindestens fünf Leuten an. 
  • Bleiben Sie eine Stunde lang in einem Lokal in der Mitte sitzen. 
  • Nehmen Sie ein Menü in einem überfüllten Restaurant ein. 
  • Gehen Sie in ein Konzert, Theater, Kino oder in einen Gottesdienst und bleiben Sie bis zum Ende, was auch immer passiert. 
  • Setzen Sie sich im Kino, in einem Konzert, im Theater oder bei einer anderen Veranstaltung in die Mitte einer Reihe.
  • Besuchen Sie eine Sportveranstaltung oder Freiluftveranstaltung mit vielen Zuschauern. 
  • Gehen Sie für mindestens eine Stunde in ein überfülltes Hallenbad bzw. Freiluftbad und besuchen Sie auch einmal eine Sauna. 
  • Fahren Sie zwei Stunden lang mit einem öffentlichen Verkehrsmittel kreuz und quer durch die Stadt.  
  • Machen Sie mit dem Bus einen Tagesausflug zu einem Ort, an dem Sie noch nie waren. 
  • Fahren Sie mit dem Auto auf der Autobahn mindestens 100 km weit weg und besuchen Sie dort ein Restaurant, in dem Sie noch nie waren. 
  • Fahren Sie mit einem Schnellzug mindestens 200 km weit weg und übernachten Sie in einem Hotel, ohne Ihre Angehörigen darüber zu informieren. 
  • Fahren Sie mit einem Schiff oder Boot über einen See bzw. machen Sie eine Seerundfahrt. 
  • Fahren Sie mit einer Seilbahn bis zur Endstation hinauf. 
  • Fahren Sie mit dem Auto durch einen längeren Tunnel. 
  • Fahren Sie in einem Hochhaus dreimal mit dem Lift auf und ab, ohne auszusteigen. 
  • Machen Sie beim nächsten Flughafen einen mindestens halbstündigen Rundflug.
  • Nehmen Sie an einer unterirdischen Führung teil (Bergwerk, Katakomben).
  • Besteigen Sie einen Turm (z.B. den Dom oder Fernsehturm einer größeren Stadt).
  • Gehen Sie über eine gefürchtete Brücke und schauen Sie in der Mitte auf den Fluß hinunter. 
  • Gehen Sie mindestens eine Stunde lang durch einen einsamen Wald. 
  • Machen Sie einen dreistündigen Stadtbummel ohne Mitnahme von Beruhigungsmitteln und lassen Sie auch Ihr Handy zu Hause. 
  • Gehen Sie bei Nacht mindestens eine Stunde lang in einer belebten Straße spazieren. 

 

Wenn Sie diese Aufgabenstellungen gut bewältigen können, steigern Sie den Schwierigkeitsgrad mit der Bereitschaft zu einer Panikattacke. 

 

Wenn die Agoraphobie trotz Konfrontationstherapie bestehen bleibt 


Wenn Sie keine anhaltenden Übungserfolge erzielen, jedoch in bester Absicht und „technisch“ richtiger Weise trainiert haben, sollten Sie nach den Gründen dafür suchen. 

Ich stelle Ihnen dazu folgende Fragen. Bitte beantworten Sie diese wirklich völlig ehrlich und offen!

 

Fehlt Ihre Bereitschaft zu einer heftigen Panikattacke? 


Natürlich ist die Vermeidungsstrategie absolut nachvollziehbar und verständlich – nur: wenn Sie Ihre agoraphobischen Ängste wirklich abbauen möchten, müssen Sie über Ihren Schatten springen! 

Denn wenn Sie sich allen Situationen nur so stellen, dass Sie eine Panikattacke unbedingt vermeiden möchten, halten Sie eine Daueranspannung aufrecht und bleiben in einem Dauerstress, weil Sie ja ständig Vermeidungs- und Unterdrückungsmechanismen anwenden müssen. 

Wenn Sie mental und real ständig auf der Flucht sind, werden Sie sich nie an die Situation gewöhnen. Die Angst vor der Angst („Was wäre, wenn ...?“) hält Ihre Erwartungsängste aufrecht. 

Es ist hart, aber wirksam: wenn Sie den Mut zu einer Panikattacke aufbringen, besteht die Chance auf rasche Heilung. 

 

Wissen Sie um Ihre ärgste Angst? 


Die wichtigste Frage bei einer Konfrontationstherapie lautet: was genau bzw. welche Symptome fürchten Sie am meisten und möchten Sie um jeden Preis vermeiden? Der springende Punkt ist: Nur was Sie kennen, können Sie besiegen! 

Chronische Erwartungsängste können Sie erst dann überwinden, wenn Sie genau wissen, was Sie letztlich fürchten. 

Haben Sie Angst davor, plötzlich an einem Herzinfarkt zu sterben, ohnmächtig umzufallen, verrückt zu werden oder vor anderen Menschen unangenehm aufzufallen? 

Wenn Sie diesen Ängsten unbedingt ausweichen möchten, werden Sie durch eine Konfrontationstherapie zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt keinen Erfolg verbuchen. Sie kennen doch den Spruch „Viele Wege führen nach Rom“. 

 

Gehen Sie bei der Angstbewältigung sehr perfektionistisch vor?


Perfektionismus ist eine Form, keine Angst haben zu müssen. Jeder übertriebene Perfektionismus („Wenn schon, dann muss ich alles super schaffen“ oder „120 Prozent ist mir noch viel zu wenig“) ist bei einer Konfrontationstherapie schädlich, weil er den Stress erhöht. 

Wenn Sie Ihre positiven Erfahrungen nicht auf andere Situationen übertragen können, hat dies oft damit zu tun, dass Sie in perfektionistischer Manier jedes Restrisiko ausschalten möchten, was eben nicht möglich ist. 

Typisch sind folgende Aussagen: „Es ist zwar schon zehnmal gutgegangen, doch wer garantiert mir, dass auch beim elften Mal nichts passiert?“ 

 

Wird Ihre Agoraphobie durch eine Sozialphobie verstärkt? 


Sozialphobische Komponenten halten bei einer Konfrontationstherapie eine ständige Anspannung aufrecht: „Was werden sich die anderen denken, wenn sie meine Symptome bemerken?“; „Wenn ich tatsächlich auffalle, bin ich dann ‚nervenschwach’, ‚psychisch nicht belastbar’, ein Schwächling, weniger liebenswert, weil schwach?“ 

 

Verwenden Sie bestimmte Mittel, die Ihr Selbstvertrauen schwächen? 


Brauchen Sie bestimmte „Krücken“, die letztendlich Ihr Selbstvertrauen untergraben? 

Sind Sie abhängig von Medikamenten oder anderen vermeintlichen Hilfsmitteln?  

Halten Sie sich in diesem Fall an folgende Ratschläge

  • Nehmen Sie keine Beruhigungsmittel ein und führen Sie auch keine mit sich!
  • Verwenden Sie keinen Alkohol als Pillenersatz!
  • Tragen Sie keine Notfalltropfen mit sich, denn es besteht kein Notfall!
  • Lassen Sie das Handy zu Hause, denn Sie brauchen keine geistige Nabelschnur!
  • Verlassen Sie sich nicht auf andere Personen, ersetzen Sie das Vertrauen auf andere durch das Vertrauen in sich selbst! 

 

Lenken Sie sich ständig ab? 


Versuchen Sie, sich ausschließlich auf das Hier-und-Jetzt zu konzentrieren. 

Sie werden erleben, dass Sie eher ruhig werden, wenn Sie sich nicht pausenlos ablenken, sondern sich Ihren Symptomen zuwenden. 

Sätze wie „Ich spüre jetzt meinen Schwindel, mein Herzklopfen und meine weichen Knie, ich stelle mich aber dennoch der Situation und bleibe so lange wie ich will und nicht so lange wie mich die Symptome lassen“ können dabei helfen, „bei der Sache“ zu bleiben. 

Ablenkung ist nur bei einer heftigen Panikattacke eine wirksame Hilfe. 

 

Haben Sie durch Ihre Symptome auch einen Gewinn? 


Wenn Sie sich ständig mit den scheinbar übermächtigen Problemen einer Agoraphobie mit Panikstörung beschäftigen, kann dies auch eine Vermeidungsstrategie sein. 

Sie können sich damit kurzfristig von den eigentlichen privaten, familiären, partnerschaftlichen, sozialen, beruflichen oder ökonomischen Problemen ablenken. 

Welche anderen Probleme vermeiden Sie durch Ihre Agoraphobie? 


Wenn Sie die Ketten der Ängste gesprengt haben, warten vielleicht die Bürde der Verantwortung und der Freiheit sowie der Zwang zur Entscheidung zwischen verschiedenen Alternativen auf Sie. 

Nach der Beseitigung der Ängste können Sie vielleicht vor der Situation stehen, 

  • verschiedene Annehmlichkeiten und Vorteile zu verlieren (ständiges Umsorgtwerden, viel Zuwendung und Nachsicht, Unterstützung bei der Arbeit) und vieles wieder selbst erledigen zu müssen; 
  • den Arbeitsplatz wegen Unzufriedenheit zu wechseln und dabei das Risiko einzugehen, dies hinterher zu bereuen;
  • sich scheiden zu lassen und neben den Problemen der Partnerschaft auch deren Vorteile zu verlieren.

 

Leiden Sie gleichzeitig auch unter einer depressiven Symptomatik? 


Eine depressive Symptomatik ist u.a. charakterisiert durch eine körperliche und psychische Energielosigkeit. Achtung – Sie sollten in einer depressiven Phase keine kraftaufwendige Konfrontationstherapie durchführen, um Ihr Selbstwertgefühl aufzubauen. 

Es kann nur zu einem Misserfolg kommen, der Ihre depressive Symptomatik noch weiter verstärkt. Sie müssen zuerst Ihre depressive Symptomatik in den Griff bekommen, bevor Sie ein Angstbewältigungstraining angehen. 

 

Haben Sie gleichzeitig auch eine Persönlichkeitsstörung?

 

Manche Angstpatienten haben „mehr“ als eine reine Angststörung, nämlich eine sogenannte Persönlichkeitsstörung mit stark verfestigten Mustern des Verhaltens, Denkens und Fühlens. 

Fragen Sie einen Fachmann, ob man bei Ihnen z.B. eine ängstliche oder abhängige Persönlichkeitsstörung bzw. eine sogenannte Borderline-Persönlichkeitsstörung ausschließen kann. 

Wer von seiner Persönlichkeitsstruktur her immer schon sehr ängstlich war oder ständig von anderen Menschen abhängig gelebt hat, wird durch eine reine Konfrontationstherapie seine Verhaltensweisen nicht schlagartig ändern können. 

 

Haben Sie bestimmte psychosoziale Belastungssituationen (Probleme in der Ehe, Familie oder Arbeit)? 


Stehen hinter Ihrer Agoraphobie mit Panikstörung latente oder offene Partnerprobleme, die Sie anfangs nicht in Zusammenhang mit Ihrer Angststörung gesehen haben? 

Ist Ihre Platzangst im Rahmen von Konflikten mit den Eltern aufgetreten? Oder haben berufliche Probleme einen maßgeblichen Anteil? 

Ihre Agoraphobie schafft dann eine Pattsituation! Das bedeutet, dass die Platzangst Ihre unbefriedigende Lebenssituation aufrechterhält und das Problem vorläufig nur auf der Symptomebene abgehandelt wird. 

Dieser Zustand wird andauern, solange Sie noch keine Entscheidung darüber getroffen haben, wie es etwa mit Ihrer Partnerschaft weitergehen soll, wenn Sie Ihre Ängste überwunden haben. 

Klären Sie also offen und ehrlich: welche Auswirkungen hätte die Bewältigung Ihrer Ängste auf Ihr Leben, insbesondere auf Ihre familiäre, soziale und berufliche Situation? 

 

Fehlen Ihnen Veränderungsziele nach der Konfrontationstherapie? 


Stellen Sie sich vor, Sie wachen frühmorgens auf und sind völlig gesund. Was würden Sie da tun? Was würde sich in Ihrem Leben dann ändern? 

Wie wichtig sind Ihnen wirklich alle Möglichkeiten, die Ihnen nach der Beseitigung Ihrer Ängste offenstehen? 

Viele Angstpatienten haben vordergründig oft keine anderen Ziele, als ständig nur gegen ihre Ängste zu kämpfen. 

Dies zeigt die inhaltliche Leere des Lebens auf, die es durch eine Sinnperspektive zu überwinden gilt. 

Setzen Sie sich Ziele, auf die Sie sich freuen, suchen Sie sich neue Hobbys, spüren Sie nach, was Sie wirklich wollen im Leben! 

Angstsituationen mental bewältigen

 

Zwischen zwei Betrachtungsweisen wechseln 


Sie können Ihren „Angstfilm“ in Ihrem Kopf auf zweifache Art und Weise bewältigen lernen: stellen Sie sich diesen Bildern und Szenen Ihrer Ängste entweder in der Beobachter-Position („dissoziiert“: Sie betrachten dabei die Angst von außen) oder in der Teilnehmer-Perspektive („assoziiert“: Sie erleben dabei die Angst von innen her).
 

Beobachterposition


Sie sehen den Angstfilm wie einen Videofilm, den Sie von Ihrem Fernsehstuhl aus betrachten. Ähnlich einem Urlaubsvideo sehen Sie sich selbst im Bild und beobachten sich und das ganze Geschehen aus sicherer Distanz.

Sie erleben sich körperlich und gefühlsmäßig in der Rolle des Beobachters und nicht des Akteurs.

Die Szene rollt einfach vor Ihren Augen ab und Sie sehen zu. Ein derartiges Vorgehen empfiehlt sich bei traumatisierenden Erfahrungen von Gewalt (z.B. körperliche Züchtigung, Vergewaltigung), um eine unkontrollierbare emotionale Überwältigung und erneute Traumatisierung zu vermeiden, aber auch bei Ängsten, die Sie nicht frontal angehen möchten.

Die Beobachterposition schafft Distanz und erleichtert die Auseinandersetzung mit Erinnerungen, die wie gegenwärtige Geschehnisse wirken.
 

Teilnehmerposition 


Sie erleben sich dabei als Hauptdarsteller in Ihrem Film, als Handelnder, als Akteur. Sie sind mitten im Geschehen und setzen dabei alle verfügbaren Sinne ein (wie oben beschrieben). 

Dies führt zu einem intensiven emotionalen Erleben (z.B. Auftreten von Angst, Wut, Trauer) und zu starken körperlichen Reaktionen (z.B. Paniksymptomen). 

Die Situation ist so präsent und real in Ihrem Erleben, Denken und Fühlen, dass Sie auch dementsprechend darauf reagieren. 
 

Regieanweisungen für Ihren Angstfilm


Lassen Sie Ihren Angstfilm nach folgenden Schritten ablaufen: 

  • Setzen Sie sich zu Hause in einen bequemen Lehnstuhl und schließen Sie die Augen. Stellen Sie sich vor, Sie schalten Ihren Fernsehapparat und Ihren Videorecorder ein und schauen sich einen ganz bestimmten „Angstfilm“ an. Sie haben dabei die Fernbedienung in der Hand, um den Film je nach Bedarf steuern zu können. 


  • Lassen Sie diesen Film mehrfach vor Ihren Augen bis zum Ende ablaufen. Mit der Fernbedienung können Sie diesen Film jederzeit vor- und zurückspielen bzw. anhalten, um ein Standbild zu erhalten. Betrachten Sie sich selbst im Film, das heißt erleben Sie sich als distanzierter Beobachter. Sie werden entdecken, dass Sie vor allem dann intensive Angst bekommen, wenn Sie sich selbst nicht mehr im Film sehen, sondern sich plötzlich mitten im Geschehen erleben, wie wenn Sie plötzlich in die Szene katapultiert würden und aktiver Hauptdarsteller wären.


  • Vergegenwärtigen Sie sich dann, wenn Sie die ersten Angstreaktionen verspüren, dass Sie zu Hause sitzen und sich alles nur im Film ereignet! Nehmen Sie Ihre Körperposition im Lehnstuhl wahr und spüren Sie die Sitz- oder Liegefläche, die Lehne, die Ihren Rücken abstützt, den Stoff, den Ihre Hände berühren. Beobachten Sie den Raum, in dem Sie sich befinden, um sich in der Gegenwart zu verankern und nicht unerwünscht in die „Teilnehmer-Position“ zu gelangen. 


  • Finden Sie irgendeine Schlüsselerfahrung, die Sie zumindest durch ein Sinnesorgan sicher in der Gegenwart verankert, etwa Ballen der Hand zu einer Faust, Blick auf ein bestimmtes Wohnzimmerbild, Hören Ihrer Lieblingsmusik im Hintergrund oder der Stimme einer vertrauten Person, Summen einer bestimmten Melodie, Zwerchfellatmung mit Heben und Senken Ihrer Hände auf der Bauchdecke, Riechen des Geruchs des Partners oder des Wohnzimmers, Schmecken des Getränks, das Sie gerade trinken. 


  • Wenn Sie starke Angst bekommen, können Sie den Film vorübergehend leiser oder dunkler stellen oder kurz ausschalten, jedoch nur dann, wenn Sie wirklich bereit sind, nach kurzer Erholung den Film wieder einzuschalten – als Ausdruck dafür, nicht zu flüchten. Wenn Sie einen bestimmten „Angstfilm“ sehr bildhaft ablaufen lassen können, können Sie die Szenen auch laut kommentieren, als würden Sie diese einem Zuseher neben Ihnen beschreiben. Das Sprechen kann Ihnen während des Sitzens helfen, starke Anspannungen über die Mundbewegungen abzuführen. 


  • Wenn Sie diese Technik einigermaßen sicher beherrschen, können Sie sich vorstellen, dass der „Angstfilm“ gerade gedreht wird, und zwar mit Ihnen als Hauptdarsteller, das heißt Sie wechseln in die aktive Teilnehmerposition. Vergegenwärtigen Sie sich Ihren Körper, wie Sie ihn bisher im „Angstfilm“ gesehen haben, und erleben Sie sich so, als ob die Ereignisse gerade jetzt stattfinden würden. Bei bestimmten traumatischen Erlebnissen (z.B. Vergewaltigung, Verbrechen, Unfall) sollten Sie dieses Vorgehen jedoch nicht allein anwenden, sondern nur in Anwesenheit eines Therapeuten oder zumindest einer vertrauten Person, um bei Bedarf Unterstützung zu haben. Dann können Sie Ihr Erleben noch vertiefen, indem Sie die Ereignisse in der Gegenwartsform und in der Ich-Form beschreiben („Ich sehe ... höre ... spüre jetzt ...“). 


  • Bei Bedarf wechseln Sie wieder in die externe Beobachterposition und verankern Ihr Erleben im Hier-und-Jetzt. Wenn Sie sich anschließend wiederum in die Teilnehmer-Position begeben, tun Sie dies mit anderen Sichtweisen und Erfahrungen. Sie fügen auf diese Weise den sich aufdrängenden Angstvorstellungen neue Elemente hinzu, sodass Sie trotz der realen Hilflosigkeit dennoch stärker, gelassener, souveräner und aktiver wirken. 


  • Zur weiteren Stärkung Ihres Selbstvertrauens können Sie abschließend den Film in der Beobachter- und in der Teilnehmerposition wiederholt so ablaufen lassen, als würden Sie eine ähnliche Situation in der Zukunft erleben, in der es Ihnen gelingt, eine konstruktive Bewältigungsstrategie anzuwenden, um eine Wiederholung der traumatischen Ereignisse der Vergangenheit zu verhindern. Um Ihr Selbstvertrauen noch mehr zu stärken, entwerfen Sie einen weiteren Film: Thema ist eine ähnliche künftige Situation wie die ursprünglich traumatische, die Sie in diesem Film aber souverän und konstruktiv bewältigen. Sie sind einmal Hauptdarsteller, einmal Zuschauer und lassen den Streifen einige Male in beiden Positionen (als Beobachter und Akteur) ablaufen. Somit verhindern Sie erfolgreich, dass sich die traumatischen Ereignisse der Vergangenheit wiederholen.  


  • Sie erhöhen die Wirkung der imaginierten Reizkonfrontation, wenn Sie bei geschlossenen Augen alles, was Sie sich vorstellen, laut aussprechen, um auf diese Weise in der Angstsituation zu verbleiben. Nehmen Sie alles auf Kassette auf: Ihre Angstgedanken bis zur vermeintlichen Katastrophe sowie Ihre Gedanken nach der imaginierten Katastrophe. Formulieren Sie, als würden Sie die Angstsituation gerade durchleben und hören Sie das Band später immer wieder allein oder zusammen mit einer Vertrauensperson an, um sich gedanklich, emotional und körperlich daran zu gewöhnen. 

 

Mentales Training bei Panikattacken, Platzangst und Phobien


Im folgenden biete ich Ihnen einige Übungsvorschläge zum mentalen Training bei Panikattacken, Platzangst und Phobien, die Sie je nach Bedarf individuell abwandeln können.
 

Eine real bewältigte Angstsituation vergegenwärtigen 


Erinnern Sie sich an eine Situation, die Sie früher gefürchtet, aber dann bewältigt haben, weil Sie sie einige Male erfolgreich durchlebt haben. Denken Sie zurück – an das anfängliche Unbehagen, an das erfolgreiche Ende. 
 

Eine noch nicht bewältigte Angstsituation erfolgreich visualisieren  


In einem wunderschönen Tagtraum malen Sie sich bis ins kleinste Detail aus, wie Sie eine bestimmte Angstsituation, die Sie in der Realität noch nicht bewältigt haben, erfolgreich durchleben. Was Sie sich konkret vorstellen können, wird in Zukunft leichter möglich sein. 
 

Vorstellen der nächsten Panikattacke mit erträglichem Ausgang


Vorhandene Ängste werden dadurch panikartig gesteigert, dass gerade am dramatischen Höhepunkt der Film reißt – genau dann, wenn etwa der drohende Herzinfarkt oder die gefürchtete Ohnmacht zum Greifen nahe erscheinen, ist der Film zu Ende. 

Was signalisiert dies dem Betroffenen? Dass es kein Entrinnen gibt, dass der Film unweigerlich mit der Katastrophe enden muss. 

Gehen Sie unbedingt einen Schritt weiter: lernen Sie, diesen „Film“ innerlich fortlaufen zu lassen, schreiben Sie das Drehbuch weiter, sodass es zu einem erträglichen Ausgang kommt. 

Spielen Sie die Szene immer wieder durch und entwickeln Sie konkrete Alternativen und Überlebensvorstellungen. 

Entwerfen Sie mindestens drei Varianten, wie Sie die für Sie bedrohliche Situation einigermaßen gut überstehen können. 

Ihre ständigen Erwartungsängste bezüglich Panikattacken ohne genaue Vorstellung dessen, was wirklich passieren könnte, bedeuten letztlich, die gefürchteten Situationen und Zustände unter Verzicht auf mentale Bewältigung zu meiden. 

Oft verhindern Todesängste die mentale Bewältigung dessen, was passieren könnte, wenn man die betreffende Situation überleben sollte. 

Positives Denken in unserem Sinne bedeutet nicht, das Negative zu leugnen oder auszublenden, sondern real mögliche Gefahren und Probleme für bewältigbar zu halten.  
 

Neuerliches Durcherleben der letzten Panikattacke 


Wenn Sie sich an eine heftige Panikattacke wiedererinnern, werden Sie von intensiven Gefühlen und körperlichen Zuständen überflutet. Genau damit müssen Sie umgehen lernen.

Schließen Sie Ihre Augen und stellen Sie sich die Situation rund um die letzte Panikattacke ganz konkret und in allen Details vor.

Erleben Sie die Panikattacke im Zeitlupentempo noch einmal mental durch, und zwar in der Ich-Form und in der Gegenwartsform, z.B. „Ich atme jetzt schneller, mein Herz beginnt zu rasen, mir wird leicht übel, ich zittere leicht.“

Wie fängt die Panikattacke an, was macht sie schlimmer? Was ist das Äußerste?

Erinnern Sie sich dabei auch, dass und wie Sie diesen Angstanfall überlebt haben.

enn Sie vom gegenwärtigen Standpunkt aus auf die Panikattacke zurückblicken, stärken Sie Ihren Glauben an deren Bewältigbarkeit.
 

In eine Panikattacke hineinsteigern


Sprechen Sie den folgenden oder einen ähnlichen Text langsam und mit Pausen auf eine Kassette und hören Sie sich die Geschichte immer wieder an, bis Sie damit keine Probleme mehr haben: 

„Mir wird ganz schwindlig, es schnürt mir den Brustkorb zusammen und ich bekomme kaum Luft, mir ist heiß und ich beginne zu schwitzen, mir wird übel, meine Knie werden ganz weich, es kribbelt in meinen Händen, mein Herz schlägt wie verrückt, gleich falle ich um, wahrscheinlich bekomme ich einen Herzinfarkt. Rundherum stehen Leute, die mich sehen, wie ich zu Boden sinke. Vielleicht drehe ich auch nur durch und lande in einer Nervenklinik. Dann bin ich für immer erledigt, auch wenn ich alles überlebe.“ 

Wenn Sie Angst vor derartigen mentalen Provokationsübungen haben, werden Sie unerwartete Panikattacken weiterhin so fürchten wie bisher. 

Üben Sie derartige Vorstellungen mit geschlossenen Augen so lange, bis Sie besser damit umgehen können. 
 

Eine Panikattacke im Bus oder in der Straßenbahn 


Stellen Sie sich eine Panikattacke in einem öffentlichen Verkehrsmittel vor, um Ihre körperlichen und emotionalen Zustände besser kontrollieren zu können. 

Imaginieren Sie folgende Situation: Sie bekommen bei geschlossenen Fenstern zu wenig Luft, spüren einen starken Druck auf der Brust und haben Angst zu ersticken. 

Sie atmen verstärkt, spüren Ihren raschen Herzschlag und werden ganz angespannt. Es wird Ihnen übel und Sie haben Angst zu erbrechen. 

Sie fürchten sich davor aufzufallen. Sie steigen jedoch nicht aus dem Verkehrsmittel aus, sondern verwenden verschiedene Atemtechniken. 

Nach einiger Zeit erreichen Sie Ihr Ziel und Sie steigen erschöpft, jedoch mit einem Erfolgserlebnis aus. 
 


Ohnmachtsangst in einem Geschäft 


Sie fühlen sich im Supermarkt plötzlich schwindlig und der Ohnmacht nahe. 

Sie möchten mit Ihrem vollen Einkaufswagen flüchten, sehen jedoch die lange Warteschlange bei der Kasse, sodass Sie nicht hinauskommen. 

Sie sind in der Falle, Ihre Angst steigt dadurch. 

Sie bekommen keine Luft mehr, Ihr Herz schlägt bis zum Hals, Sie beginnen zu schwitzen und zu zittern. 

Sie erinnern sich an Ihre letzte Panikattacke, bei der Sie Angst hatten zu sterben. 

Sie möchten sich am liebsten am Einkaufswagen festhalten, tun dies jedoch bewusst nicht, sondern stehen frei und sind bereit umzufallen und dadurch aufzufallen. 

Sie haben den Eindruck, dass jemand schon etwas bemerkt haben könnte, Sie lassen sich dadurch jedoch nicht irritieren. 

Sie schütteln Arme und Beine kräftig durch, atmen langsam ein und aus und gehen noch eine Viertelstunde im Geschäft umher, ohne der ständigen Fluchtbereitschaft Ihres Körpers nachzugeben und merken, dass Sie nicht umkippen. Abschließend loben Sie sich kräftig. 
 

Ein mentaler Einkaufsbummel


Spielen Sie anhand eines Einkaufsbummels eine gestufte Konfrontationstherapie in der Vorstellung bei geschlossenen Augen möglichst lebendig durch. 

Sie verlassen an einem Samstagvormittag Ihre Wohnung, spüren schon bald Ihre Erwartungsängste aufsteigen, gehen einige Minuten bei leichtem Schwindel dahin, steigen dann in den Bus ein, der Sie – voll mit Schulkindern und stickiger Luft – in 20 Minuten zum nächsten größeren Einkaufszentrum bringt. 

Dort gehen Sie durch die überfüllten Gänge und betrachten vorerst einmal alle Geschäfte von außen, bis Sie schließlich hintereinander mindestens drei Geschäfte aufsuchen. 

Im ersten Geschäft müssen Sie sich mit einigen Waren bei einer Schlange an der Kasse anstellen, sodass Sie etwas unruhig werden und Ihr Herz zu klopfen beginnt. 

Im zweiten Geschäft gibt es kein Fenster, weshalb Sie sich beengt fühlen, Sie bleiben aber dennoch so lange, bis Sie sich von einer Verkäuferin haben beraten lassen ohne etwas zu kaufen. 

Im dritten Geschäft probieren Sie längere Zeit einige Kleider an, nerven die Verkäuferin ein wenig, finden schließlich aber doch ein passendes. 

Sie spüren, wie Sie langsam müde werden und auf dem Weg zum Bus wiederum leichter Schwindel aufkommt. Sie fahren – etwas erschöpft durch die Angst – mit dem Bus nach Hause und freuen sich, dass Sie diese kleine Shopping-Tour mental erfolgreich bewältigt haben. 
 

Die Angst vor Kontrollverlust mental durchleben


Diese Vorstellungsübung zählt mittlerweile zu den Lieblingsübungen des Autors. Panikpatienten erkennen dabei oft erstmals, was sie wirklich fürchten, wenn sie bei einer Panikattacke keine Angst mehr vor dem Tod haben.

Die Betroffenen haben dann gewöhnlich Angst vor einem Kontrollverlust in Form des plötzlichen Verrücktwerdens, eines Blackouts (z.B. Selbstmordversuch aus Panik, „Amoklauf“) oder eines heftigen Gefühlsausbruchs (Um-sich-Schlagen, Schrei- oder Weinkrampf).

Schließen Sie die Augen und vergegenwärtigen Sie sich eine Situation, in der Sie mental einmal all das durchspielen, was Sie in einer bestimmten Extremsituation als Ärgstes außer dem Tod befürchten. Wagen Sie es und stellen Sie sich Ihren Horrorvisionen.

Welche Vorstellungen haben Sie vom „Durchdrehen“, „Nervenzusammenbruch“, „Ausflippen“?

Wo und wann haben Sie vielleicht schon einmal die Kontrolle über sich verloren, dass Sie sich vor einem neuerlichen Kontrollverlust bzw. Gefühlsausbruch fürchten?

Sagen Sie sich: „Ich habe intensive Gefühle und einen großen inneren Druck, meine Verstandesklarheit bleibt dabei erhalten. Daher wage ich es, meine ärgsten Phantasien zuzulassen. Das sind nur meine Vorstellungen, es wird jetzt nichts passieren.“

Wenn es Sie beruhigt, machen Sie diese Übung, während eine Vertrauensperson in einem anderen Raum anwesend ist.
 

Flugangst in der Vorstellung vergegenwärtigen

 
Eine Flugangst ist der Inbegriff einer Agoraphobie: man fürchtet nicht den Absturz, sondern das Fehlen jeden Fluchtwegs. 

In dieser Eingeengtheit könnte man sich jedoch völlig unmöglich verhalten und daher unangenehm auffallen oder vielleicht sogar „durchdrehen“ – alles völlig unbegründete Ängste. 

Fliegen Sie einmal „mental“: Sie sitzen im Flugzeug nach Griechenland. Schon beim Start steigt die Furcht vor etwas Unbestimmtem auf, dem Sie nicht entkommen können. 

Sie erinnern sich an die letzte Panikattacke beim Fliegen, weshalb Sie seither in kein Flugzeug mehr gestiegen sind. Sie gehen in der Vorstellung alles durch, was Ihnen passieren könnte. 

Sie sitzen ganz angespannt da, möchten am liebsten davonlaufen, wagen sich jedoch kaum zu bewegen. 

Sie erleben das beklemmende Gefühl: Jede Flucht ist ausgeschlossen, es gibt kein Entkommen! Sie möchten sich an die Flugbegleiterin um Hilfe wenden, haben jedoch Angst, unangenehm aufzufallen. 

Was fürchten Sie jetzt am meisten? Was wäre so schlimm, dass Sie trotz des Wissens um eine sichere Landung auch das nächste Mal am liebsten nicht mehr fliegen möchten? 

Finden Sie mehrere Möglichkeiten, wie Sie sich in diesem Zustand auf die Realsituation besser vorbereiten können. 

Was helfen könnte: Atemübungen, Reden mit dem Partner, an das Ziel der Reise denken, etwas lesen oder etwas trinken bzw. lutschen. 
 

Eine Rede halten 

 
Sie stehen vor dreißig Leuten und sollen einen Vortrag halten oder etwas präsentieren. 
Ihr Herz beginnt zu rasen, Ihr Mund wird ganz trocken, Ihre Kehle schnürt sich zusammen, Ihr Körper verspannt sich, Sie beginnen leicht zu schwitzen. 

Sie haben Angst, Sie könnten bald so verwirrt sein, dass Sie nicht mehr wissen, was Sie sagen möchten. 

Sie fühlen sich von den Zuhörern kritisch beobachtet und fragen sich, was diese wohl über Sie denken werden. 

Sie atmen durch, bewegen sich ein wenig hin und her, spüren den Boden unter Ihren Füßen, ergreifen Ihre Unterlagen, blicken die Zuhörer an, ohne sich ständig selbst zuzuschauen, und beginnen mit zunehmender Sicherheit zu sprechen. 

Sie spüren, Sie haben es sofort geschafft, sobald Sie mit der Rede oder der Präsentation begonnen haben. Denn Sie wissen, Sie haben etwas zu sagen. 

Sie sind sich Ihrer Meinung sicher, auch wenn einige Zuhörer anders denken sollten. 
Sie zeigen Profil, sind authentisch, gerade dies macht Sie unverwechselbar. 

In Prüfungssituationen können Ihnen ähnliche Vorstellungsübungen weiterhelfen. 

Denkmuster ändern bei Agoraphobie 

 
Wenn Sie unter einer Agoraphobie leiden, haben Sie Angst vor einer Situation, in der Sie sich körperlich sehr unwohl fühlen und aus der Sie nicht flüchten können und auch keine hilfreiche Unterstützung erfahren.

Ändern Sie Ihre Sichtweise, dann schaut Ihr Problem gleich viel leichter lösbar aus!

Wenn Sie keine Angst mehr vor Ihren körperlichen Reaktionen haben, dann schwindet auch Ihre Angst vor allen möglichen Orten und Situationen.

Weil Sie Ihrem Körper nicht mehr trauen, egal ob Sie eine Panikattacke, Schwindel, Harn- oder Stuhldrang fürchten, haben Sie sich darauf verlegt zu prüfen, wie sicher verschiedene Orte für Sie sind.

Wenn Sie diese Überlegung verstanden und für sich akzeptiert haben, kann es sein, dass Sie eine Agoraphobie im Laufe der Zeit bewältigen können, ohne dass Sie eine stunden- und tagelange Konfrontationstherapie machen müssen. Denn Sie haben erkannt, dass Ihre körperlichen Reaktionen letztlich die Folge einer überstandenen Belastungssituation sind und nichts zu tun haben mit den früher neutralen Orten, an denen Ihre heftigen Symptome erstmals aufgetreten sind.

Sagen Sie sich: „Wenn ich mich vor mir selbst nicht mehr fürchte, dann fürchte ich mich auch vor verschiedenen Orten und Situationen nicht mehr.“ Fragen Sie sich auch, ob Sie Angst davor haben, wegen Ihrer Symptome aufzufallen und von den anderen als nicht belastbar oder gar als „nervenkrank“ betrachtet zu werden.

Erinnern Sie sich an alle früheren Situationen, in denen Sie sich ohnmächtig, ausgeliefert oder verlassen gefühlt haben und überprüfen Sie, ob Sie Angst davor hatten, wegen Ihrer Symptome bestimmten Situationen sowie anderen Menschen hilflos ausgeliefert zu sein.

Finden Sie heraus, ob Sie sich wegen der vermeintlichen Gefährlichkeit Ihrer körperlichen Symptome fürchten oder weil Sie durch diese auffallen könnten.

Im ersten Fall müssen Sie lernen, mit Ihrem Körper besser umzugehen, im zweiten Fall sollten Sie lernen, von der Meinung anderer Menschen unabhängiger zu werden.

Nicht wenige Agoraphobiker sind auch ohne körperliche Symptome nicht gerne allein. Überprüfen Sie daher, ob Ihre Symptome eine Möglichkeit sind, nicht allein sein zu müssen.

Es kommt also darauf an, Ihre Denkmuster zu erkennen und zu verändern, wie etwa:

  • Wenn kein Helfer da ist, wird mir etwas passieren. 
  • Ich habe zu wenig Vertrauen zu mir, wenn eine unerwartete Situation auftreten sollte. 
  • Ich möchte keinen unbekannten Menschen ausgeliefert sein, wenn es mir einmal schlecht gehen sollte. 
  • Wenn eine Panikattacke daherkommt, wird dies gefährlich sein. 
  • Ich muss meinen Körper immer im Griff haben, sonst könnte er einmal unkontrolliert reagieren. 
  • Solange ich ständig Schwindel, Übelkeit, Harn- oder Stuhldrang habe, kann ich an keine Aktivitäten teilnehmen, da ich in peinlicher Weise auffallen könnte. 
  • Ich möchte keinen fremden Ärzten ausgeliefert sein. 
  • Ich brauche immer einen Fluchtweg, sonst fühle ich mich unwohl, man kann ja nie wissen. 
  • Ich kann es nicht ertragen, in meiner Bewegungsfreiheit eingeengt zu sein. 
  • Allein bin ich hilflos. 
  • Allein fühle ich mich einsam und verlassen. 
  • Ich kann nichts mit mir anfangen, wenn ich allein unterwegs bin.