Spezifische Phobie – eine Furcht macht das Leben schwer 

Historische Aspekte der spezifischen Phobie

 

Aus früheren Zeiten stammen Klassifikationen nach dem Inhalt spezifischer Phobien mit einer beeindruckenden Vielfalt von Bezeichnungen, die zumeist nur historische Bedeutung und keinerlei Erklärungswert haben. 

Im Internet findet man Listen mit mehreren hundert spezifischen Phobien, die auf altgriechischen Wortwurzeln beruhen. 

Derartige Aufzählungen sind nicht an klinisch unterscheidbaren Syndromen orientiert und sagen auch nichts über die Krankheitswertigkeit dieser „Phobien“ aus. 

 

Auswahl spezifischer Phobien 

 

 Agoraphobie | Angst vor dem Überqueren eines freien Platzes (ursprüngliche Bedeutung)
 Aichmophobie | Angst vor spitzen Gegenständen
 Ailurophobie | Angst vor Katzen
 Aiktiophobie | Angst vor scharfen, spitzen Instrumenten
 Akrophobie | Angst vor Höhen
 Algophobie | Angst vor Schmerz
 Androphobie | Angst vor Männern
 Aquaphobie | Angst vor Wasser
 Arachnophobie | Angst vor Spinnen
 Astraphobie | Angst vor Blitzen
 Aviophobie | Angst vor dem Fliegen
 Bakteriophobie | Angst vor Schmutz und Bakterien
 Blaptophobie | Angst vor Verletzung anderer mit einem Messer oder spitzen Gegenstand
 Brontophobie | Angst vor Donner
 Dromosiderophobie | Angst vor Eisenbahnen
 Dysmorphophobie | Angst vor körperlicher Entstellung
 Emetophobie | Angst vor Erbrechen
 Entophobie | Angst vor Insekten
 Equinophobie | Angst vor Pferden
 Erythrophobie | Angst vor Erröten
 Gephyrophobie | Angst vor Brücken
 Gynophobie | Angst vor Frauen
 Gymnophobie | Angst vor Nacktheit
 Herpetophobie | Angst vor Eidechsen, Reptilien, kriechenden, krabbelnden Tieren
 Karzinophobie | Angst vor Krebs
 Keraunophobie | Angst vor Gewittern
 Klaustrophobie | Angst vor engen Räumen
 Kynophobie | Angst vor Hunden
 Melissophobie | Angst vor Bienen
 Mysophobie | Angst vor Berührung, Schmutz, Bazillen, Ansteckung
 Nosophobie | Furcht vor Krankheit
 Nyktophobie | Angst vor der Nacht
 Ökophobie | Angst vor Umweltgiften
 Ophidiophobie | Angst vor Schlangen
 Phobophobie | Angst vor der Angst
 Pyrophobie | Angst vor Feuer
 Skotophobie | Angst vor Dunkelheit
 Thanatophobie | Angst vor dem Tod
 Trypanphobie | Angst vor Blut und/oder Injektionen
 Xenophobie | Angst vor Fremden
 Zoophobie | Angst vor Tieren

Zeitgeschichtliche Faktoren beeinflussen die Art der spezifischen Phobien: 


  • Unter den Krankheitsängsten war früher oft die Angst vor Syphilis und Seuchen anzutreffen, gegenwärtig dominieren Ängste vor Krebs, AIDS oder Umweltgiften. 


  • Unter den körperbezogenen Ängsten war früher aufgrund des puritanischen Zeitalters die Angst vor Nacktheit (Gymnophobie) weit verbreitet, heutzutage besteht eher die Angst vor mangelnder körperlicher Attraktivität des nackten Körpers.


  • Unter den Technikängsten dominierte früher die Angst vor Eisenbahnen, heute ist die Angst vor dem Fliegen weit verbreitet (bei 15-30% der Bevölkerung). 

 

 

Symptomatik der spezifischen Phobie

 

Eine spezifische (früher: isolierte) Phobie ist eine ausgeprägte, anhaltende und unangemessene oder unbegründete Angst, die durch das Vorhandensein oder die Erwartung von klar erkennbaren, eng umschriebenen Objekten oder Situationen ausgelöst wird. 

Die Konfrontation mit dem phobischen Reiz bewirkt eine Angstreaktion, die bis zu einer situationsgebundenen oder situationsbegünstigten Panikattacke ansteigen kann. 

Das Ausmaß der Angst hängt mit der Nähe zum phobischen Objekt zusammen (umso größere Angst, je näher z.B. ein Hund ist), ist aber dennoch nicht immer in vorhersagbarer Weise damit verbunden (z.B. kann sich eine Hundephobie oder eine Brückenphobie zu unterschiedlichen Zeitpunkten in unterschiedlichen Reaktionen äußern). 

Die Betroffenen erkennen, dass die Angst übertrieben oder unbegründet ist, können sich dadurch aber nicht beruhigen. Die phobischen Objekte und Situationen werden gemieden oder können nur unter starker Angst oder großem Unbehagen ertragen werden. 

Spezifischen Phobien sind monosymptomatische Phobien, im Gegensatz zu den „multiplen Situationsphobien“ bei der Agoraphobie. Manche Betroffene weisen mehr als eine spezifische Phobie auf. Einige Phobien, die bei einer Agoraphobie auftreten, kommen auch als eigenständige situationale Phobien vor (z.B. Lift- oder Flugphobie). 

Bestimmte spezifische Phobien (z.B. Angst vor Ansteckung oder spitzen Messern) sind eher zwanghafte Befürchtungen bzw. Impulse und stehen den Zwangsstörungen nahe, weil den phobischen Auslösern durch zwanghafte Kontrollen begegnet wird.


Nach den Forschungskriterien des ICD-10 ist eine spezifische (isolierte) Phobie (F40.2) durch folgende Merkmale charakterisiert: 

 

A.    Entweder 1. oder 2.:

 

1.  deutliche Furcht vor einem bestimmten Objekt oder einer bestimmten Situation, außer Agoraphobie (F40.0) oder sozialer Phobie (F40.1)

2.  deutliche Vermeidung solcher Objekte und Situationen, außer Agoraphobie (F40.0) oder sozialer Phobie (F40.1).

 

Häufige phobische Objekte und Situationen sind Tiere, Vögel, Insekten, Höhen, Donner, Flüge, kleine geschlossene Räume, Anblick von Blut oder Verletzungen, Injektionen, Zahnarzt- und Krankenhausbesuche.

 

B.  Angstsymptome in den gefürchteten Situationen zu irgendeiner Zeit seit Auftreten der Störung sind wie in Kriterium B. von F40.0 (Agoraphobie) definiert.

 

C.  Deutliche emotionale Belastung durch die Symptome oder das Vermeidungsverhalten; Einsicht, dass diese übertrieben und unvernünftig sind.

 

D.  Die Symptome sind auf die gefürchtete Situation oder auf Gedanken an diese beschränkt.

 

Wenn gewünscht, können die spezifischen Phobien wie folgt unterteilt werden:

 

  • Tier-Typ (z.B. Insekten, Hunde)
  • Naturgewalten-Typ (z.B. Sturm, Wasser)
  • Blut-Spritzen-Verletzungs-Typ
  • situativer Typ (z.B. Fahrstuhl, Tunnel, Flugzeug)
  • andere Typen.

 

Es besteht eine Angst vor und/oder eine Vermeidung von bestimmten klar erkennbaren, eng umschriebenen Reizen (Objekten oder Situationen)

Dieses Verhalten wird von den Betroffenen als unangemessen, übertrieben und unvernünftig („irrational“) erkannt, kann aber dennoch nicht kontrolliert werden. Wenn sich die betreffenden Reize nicht vermeiden lassen, können sie nur unter großer Furcht und Belastung ertragen werden. 

Die Furcht oder Vermeidung führt zu großem Leidensdruck und zu erheblichen Beeinträchtigungen des Lebens.                 

Bei einer phobischen Störung muss das phobische Objekt oder die phobische Situation außerhalb der betreffenden Person liegen, weshalb körperbezogene Ängste als hypochondrische Störung gelten, außer sie beziehen sich auf eine spezielle Situation, in der eine Krankheit erworben werden könnte. 

Die Furcht vor Situationen mit Erkrankungsgefahr ist nach dem ICD-10 eine spezifische Phobie (z.B. eine AIDS-Phobie, bei der öffentliche Toiletten oder sexuelle Kontakte aus Angst vor Ansteckung vermieden werden). 

Eine spezifische Phobie ist auch dann gegeben, wenn sich die Furcht vor Krankheit auf den Anblick von Blut oder Verletzungen, auf ärztliche Handlungen (Injektionen und Operationen) oder auf medizinische Institutionen (Zahnarztpraxen, Krankenhäuser) bezieht. Medizinische Institutionen sind angstbesetzt und werden gemieden. 

               
Nach dem ICD-10 gelten Krankheitsängste im Sinne der Furcht vor bestimmten Krankheiten ohne Krankheitsüberzeugung („Nosophobie“) als Variante einer hypochondrischen Störung (z.B. die Furcht vor Krebs, Herzkrankheit oder Geschlechtskrankheit ohne jede körperliche Symptomatik). 

Menschen mit Hypochondrie leben in der ständigen Angst, eine Krankheit zu haben, d.h. es besteht eine Krankheitsüberzeugung, Personen mit einer spezifischen Phobie fürchten dagegen, eine Krankheit zu bekommen, können aber glauben, dass sie diese aktuell noch nicht haben. 

Verschiedene Befürchtungen sind oft keine spezifische Phobie, sondern Ausdruck einer anderen Störung.

Belastende Prüfungsängste gelten als soziale Phobie, wenn soziale Beurteilungsängste und Versagensängste im Mittelpunkt stehen, ebenso Errötungsängste (Erythrophobie), Ängste vor Händezittern, Ängste vor Urinieren und Defäzieren auf der Toilette. Es handelt sich dabei um die Angst vor kritischer Beurteilung durch andere Menschen.

Ängste vor Schmutz, Verseuchung oder Ansteckung stehen häufig mit Zwangsstörungen in Verbindung.

Schulängste von Kindern hängen häufig entweder mit einer Trennungsangststörung zusammen oder mit Ängsten vor kritischer Beurteilung durch Lehrer oder Mitschüler im Sinne einer sozialen Phobie. 

Zu den fünf Typen spezifischer Phobien sind folgende Informationen hilfreich:

Der Tier-Typus

Die krankheitswertige Furcht vor Hunden, Katzen, Pferden, Vögeln, Schlangen, Mäusen, Schnecken, Insekten wie Spinnen, Käfern oder Bienen und vielen anderen Tieren beginnt bei über 80% der Tierphobiker bereits im Kindesalter (vor dem 10. Lebensjahr), ohne dass die Mehrzahl der Betroffenen entsprechend negative Erfahrungen mit bestimmten Tieren gemacht hat. 

Viele Tierphobien entwickeln sich in der Kindheit aus der falschen Einschätzung der Gefahr oder sind biologisch vorgeformt (Ängste vor sich am Boden bewegenden Tieren wie z.B. Schlangen, die früher auch bei uns giftig und damit tatsächlich bedrohlich waren). 

Eine Spinnenphobie findet sich bei etwa 35% der Menschen. Insektenphobien beruhen häufig auf einem Ekel vor Insekten und weniger auf Ängsten vor realer Bedrohung. Gefürchtet wird oft ein als unangenehm (aversiv) erlebter Hautkontakt mit bestimmten Tieren. Ekel ist schwerer überwindbar als Angst.

Umwelt-Typus  bzw. Naturgewalten-Typ 

Die krankheitswertige Furcht vor Höhen, Tiefen, Stürmen, Unwetter, Donner, Blitz, Unwetter, Wasser, Feuer, Dunkelheit usw. beginnt ebenfalls meistens schon in der Kindheit. Naturereignisse werden trotz technischer Schutzvorrichtungen (z.B. Blitzableiter) nach wie vor von zahlreichen Menschen gefürchtet. 

Die Furcht vor tiefem Wasser führt oft zu Ängsten vor dem Bootfahren wegen der vermeintlichen Gefahr des Ertrinkens. Die Furcht vor Höhen oder Tiefen drückt eine Angst vor dem Absturz aus. Die Dunkelangst ist eine im Rahmen der Evolution verständliche Angst vor Bedrohung in der Finsternis (früher gab es noch keinen Strom).


Blut-Spritzen-Verletzungsphobie-Typus 

Die krankheitswertige Furcht vor dem Anblick von Blut oder einer Verletzung, Furcht vor Spritzen oder medizinischer Behandlung) umfasst körperbezogene Befürchtungen. Charakteristisch ist eine vagovasale Ohnmachtsneigung.

Ca. 75% der Betroffenen erlebten Ohnmachtsanfälle in solchen Situationen. 70% aller Blut- und 56% aller Injektionsphobiker wurden im Laufe ihres Lebens beim Anblick von Blut oder bei invasiven medizinischen Maßnahmen ohnmächtig, während dies unter Agoraphobikern, die wegen ihrer sehr belastenden Schwindelzustände oft eine Ohnmacht fürchten, nur bei 1% im Lebenszeitraum der Fall war (dies hängt meist mit einem Hitzekollaps oder einer körperlichen Erkrankung zusammen).

Von diesem Subtyp Betroffene sind tatsächlich die einzigen Phobiker, die bei großer Angst ohnmächtig werden, viele andere Angstpatienten (vor allem solche mit Agoraphobie mit und ohne Panikstörung) fürchten dies unnötig.

Während bei Tierphobien eine starke Reaktion des sympathischen Teils des autonomen Nervensystems einsetzt, besteht bei Blut-Spritzen- und Verletzungsphobien ein di-phasisches vegetatives Muster beim Ablauf der Furchtreaktion: Zuerst kommt es zu einer sympathikotonen Alarmierung (Blutdruck- und Herzfrequenzsteigerung), danach zu einer parasympathikotonen Reaktion (Blutdruckabfall, Übelkeit).

Es erfolgt zuerst eine kurze Beschleunigung der Herzfrequenz, anschließend ein Abfall von Puls und Blutdruck, was im Gegensatz zur sympathischen Aktivierung (Pulsbeschleunigung) bei den anderen Phobien steht.

Blut- und Injektionsphobien, die bei 3-4% der Bevölkerung vorkommen, können dazu führen, dass notwendige Operationen oder kleinere ärztliche Eingriffe nicht erfolgen, Frauen aus Angst vor der Geburt nicht schwanger werden möchten trotz Kinderwunsch, Besuche bei Verwandten im Krankenhaus vermieden werden.

Fazit: Während bei den meisten Phobien die Herzfrequenz beim Anblick des gefürchteten Objekts ansteigt, kommt es beim Anblick von Blut, Verletzungen oder etwas Grauenhaftem nach einer kurzen Pulsbeschleunigung zu einem parasympathisch (vagovasal) gesteuerten Absinken des Herzschlags um 30-40 Schläge pro Minute, bis hin zu Ohnmachtsneigung und tatsächlicher Ohnmacht.

Bei Verletzungen wird dadurch der Blutverlust vermindert. Der vagovasale Reflex dürfte auf dem Hintergrund der Evolutionsgeschichte auch in Zusammenhang mit dem Totstellreflex stehen, wie er aus der Tierwelt her bekannt ist.

Blutphobiker berichten häufig über Übelkeit ohne subjektives Angsterleben. Die sehr unangenehme aufsteigende Übelkeit hängt mit der parasympathischen Reaktionsweise zusammen. Bei Blutphobien besteht oft eine familiäre Tradition (vererbte und/oder erlernte Reaktionsweise).

Die sogenannte Dental- oder Oralophobie (früher Zahnarztphobie genannt) wird trotz ihrer weiten Verbreitung (bei 5-10% der Bevölkerung) im ICD-10 nicht erwähnt und sollte wegen des di-phasischen Reaktionsablaufs den Blut-, Spritzen- und Verletzungsphobien zugeordnet werden.

Situativer Typus 

Es besteht eine krankheitswertige Furcht vor bestimmten Verkehrsmitteln (z.B. Autos, öffentliche Verkehrsmittel, Seilbahnen, Flugzeugen), in der Furcht vor anderen geschlossenen bzw. engen Räumen (Aufzug, Tunnel, Bergwerk, Unterführung, fensterloser Raum) und in der Furcht vor Höhen (z.B. Angst vor dem Hinunterschauen oder Hinunterfallen an bestimmten Orten wie Brücken, Stegen, Treppen, Hochhaus-Balkon).

Diese Phobieform muss unbedingt vom Ausmaß einer Agoraphobie abgegrenzt werden, weil die Furchtreaktion auf spezifische, eng umschriebene Situationen begrenzt ist.

Bezüglich der Flugangst sind folgende Zahlen bekannt: 15% der Bevölkerung leiden unter einer akuten Flugangst (Aviophobie), weitere 20% verspüren ein deutliches Unbehagen beim Fliegen. Flugangst-Patienten fürchten oft weniger den Absturz als die agoraphobische Eingeengtheit (Kontrollverlust).

Klaustrophobien (Furcht vor Enge) treten lebenszeitlich bei 7-8% der Bevölkerung auf. Höhenängste kreisen um die Befürchtung hinunterzufallen (z.B. von Brücken, Berggipfeln oder hohen Gebäuden); sie werden durch fehlende Schwindelfreiheit verstärkt. Dieser Subtyp geht oft mit situationsspezifischen, durch die jeweiligen Umstände ausgelösten Panikattacken einher, die das Ausmaß der Phobie anzeigen und noch keine Diagnose der Panikstörung begründen (dazu gehören definitionsgemäß spontane, nicht durch bestimmte Situationen ausgelöste Panikattacken). 

Oft treten nicht nur körperliche Angstsymptome, sondern auch kognitive Symptome auf (vor allem die Angst verrückt zu werden oder die Kontrolle zu verlieren und dann eine selbstgefährdende Handlung zu setzen wie etwa von einer Höhe hinunter zu springen, obwohl keine Selbstmordabsicht besteht). 

 

Anderer Typus

Es besteht eine phobische Vermeidung von Situationen, die zum Ersticken, Erbrechen, Verschlucken, Umfallen, zu einer Krankheit oder sonstigen körperlichen Bedrohung führen könnten. Zu diesem Subtyp gehört auch eine Vermeidung lauter Geräusche.

Die Furcht vor Lärm und Geräuschen – vor allem bei Kindern – wird durch überraschende und unidentifizierbare Reize ausgelöst. Bei Kindern zählt dazu auch die Angst vor verkleideten Personen.

Aus Angst vor dem Verschlucken bzw. Ersticken nehmen viele Betroffene nur „sichere“ (leicht verdauliche bzw. breiig-flüssige) Nahrung zu sich, z.B. Joghurt, Pudding, verschiedene Arten von Brei oder Eiscreme). Die Erfahrung zeigt, dass dies oft mit einem subjektiv sehr bedrohlichen Globusgefühl zusammenhängt, das als Zuschnüren der Kehle erlebt wird. Die Symptomatik wird verstärkt durch eine große Mundtrockenheit, weshalb viele Betroffene zur Befeuchtung der Kehle häufig etwas trinken oder lutschen. 

 

Menschen mit spezifischen Phobien richten sehr viel Aufmerksamkeit auf die rechtzeitige Erkennung von potenziellen Gefahren. Sie entwickeln eine Überaufmerksamkeit („Überfokussierung“, selektive Aufmerksamkeit) auf die als gefährlich angesehenen Reize, um rechtzeitig Angst vermeidende Maßnahmen treffen zu können. 

Die Überaufmerksamkeit führt zu einer unnötig hohen vegetativen Erregung, kleinste Auffälligkeiten bewirken bereits eine Alarmreaktion. Eine heftige Angstreaktion erfolgt bereits bei der Vorstellung oder Erwartung bestimmter Reize und nicht erst bei deren Anblick. 

Differenzialdiagnostisch lassen sich spezifische Phobien von anderen Angststörungen abgrenzen durch den eindeutigen Situations- und Objektbezug. 

In Abwesenheit dieser Reize bestehen keine phobischen Ängste (außer spezifische Erwartungsängste), keine Panikattacken und keine allgemein erhöhte Ängstlichkeit. Mediale Informationen (z.B. Flugzeugabsturz) können spezifische Phobien auslösen bzw. verstärken. 


Epidemiologie, Verlauf und Folgen der spezifischen Phobie


Spezifische Phobien sind die häufigsten Angststörungen.

In den USA zeigte sich in den 1990er-Jahren eine spezifische Phobie bei 11,3% im Lebenszeitraum, bei 8,8% innerhalb der letzten 12 Monate und bei 4,5% innerhalb des letzten Monats. Differenziert nach dem Geschlecht ergibt sich eine spezifische Phobie im Laufe des Lebens bei 15,7% der Frauen und bei 6,7% der Männer, innerhalb des letzten Jahres bei 13,2% der Frauen und bei 4,4% der Männer, innerhalb des letzten Monats bei 8,7% der Frauen und bei 2,3% der Männer. Die Lebenszeit-Komorbidität ist mit 79% sehr hoch, nur 21 % hatten im Laufe des Lebens eine reine spezifische Phobie. 

Nach der NCS-R-Studie 10 Jahre später ergab sich eine Lebenszeithäufigkeit von 12,5% und eine Ein-Jahres-Prävalenz von 8,7%. Nach einer noch größeren US-Studie hatten 9,4% lebenszeitlich und 7,1% im Laufe der letzten 12 Monate eine spezifische Phobie. Unter jungen Frauen in Dresden hatten 12,8% im Laufe ihres Lebens eine spezifische Phobie. In der EU weisen 18,5% (14,4-18,6%) der Bevölkerung spezifische Phobien auf.


Frauen sind viel häufiger als Männer von spezifischen Phobien betroffen. Je nach Subtyp ist der Frauenanteil unterschiedlich groß: 75-90% beim Tier-, Situations- und Umwelt-Typus (bei Höhenphobien jedoch nur 55-70%), 55-70% beim Blut-, Spritzen- und Verletzungs-Typus. Beginn und Verlauf von spezifischen Phobien hängen von deren Art ab.

Spezifische Phobien vom Tier-Typus, Umwelt-Typus und Blut-Spritzen-Verletzungs-Typus beginnen meist schon in der Kindheit, spezifische Phobien vom situativen Typus (z.B. Flug-, Lift- oder Höhenphobien) treten meist erst im Erwachsenenalter auf.

Die objekt- und situationsbezogenen Ängste im frühen Kindesalter erreichen jedoch nur selten den Schweregrad einer phobischen Störung; sie lösen sich im Laufe der Zeit häufig spontan auf.

Bei Kindern äußern sich starke phobische Ängste oft in Form von Schreien, Wutanfällen, Erstarren oder Anklammern. 

Spezifische Phobien, die bis ins Erwachsenenalter anhalten, verschwinden nur selten (nur bei 20%). Eine spezifische Phobie bleibt bei Erwachsenen ohne Behandlung oft hartnäckig bestehen. 

Der Beginn spezifischer Phobien liegt meistens vor dem 20. Lebensjahr. Patienten mit spezifischen Phobien können oft über lange Zeit psychosozial unbeeinträchtigt leben. Phobien, die sich aufgrund einer traumatischen Erfahrung (z.B. Unfall mit Erstickungsgefahr) oder einer situationsbezogenen Panikattacke entwickeln, weisen dagegen einen akuten Entwicklungsverlauf auf und können in jedem Altersabschnitt auftreten. 

Fazit: Traumatische Erlebnisse, situationsspezifische Panikattacken, die Beobachtung anderer Menschen in bedrohlichen Situationen sowie bestimmte Instruktionen und Informationen haben Einfluss auf die Entstehung und das Ausmaß der Phobie. 

Spezifische Phobien stellen so lange keine Belastung dar, als sie das Leben nicht unnötig einengen oder zu gefährlichen Situationen führen (z.B. Autounfall wegen Kleintierphobie, Radunfall wegen Hundephobie, Verlust des Gleichgewichts auf einer Leiter wegen Bienenphobie). 

Menschen mit einer spezifischen Phobie können oft über längere Zeiträume sozial funktionieren, während Personen mit einer sozialen Phobie oft schon von Beginn an eine erhebliche psychosoziale Beeinträchtigung aufweisen. 

Spezifische Phobien sind bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen oft ein frühes Anzeichen für spätere psychische Störungen von erheblichem Ausmaß.

Alle Subtypen, vor allem auch deren Kombinationen, erhöhen das Risiko für andere psychische Störungen (z.B. andere Angststörungen, Depressionen, Essstörungen).

Die Betroffenen sind auch ohne Komorbidität umso kränker, je mehr spezifische Phobien sie aufweisen.

Spezifische Phobien verdienen zukünftig mehr wissenschaftliche Aufmerksamkeit.

Die adäquate Behandlungsmethode besteht in einer gestuften Konfrontationstherapie, in bestimmten besonders belastenden Fällen zuerst in einer Systematischen Desensibilisierung (Konfrontation unter Entspannungsbedingungen).

Spezifische Phobien – Falsche Gefahreneinschätzung

 

Kognitive Erklärungsmodelle berücksichtigen gemäß biopsychosozialem Krankheitsverständnis drei Aspekte spezifischer Phobien: Prädispositionen, Auslöser, Verstärker.

Der deutsche Psychologe und ausgewiesene Experte Alfons Hamm legt in seinem Buch „Spezifische Phobien“ ein integratives biopsychosoziales Störungsmodell zur Erklärung spezifischer Phobien vor.

Drei Faktorenbündel (genetische Disposition zur Furchtreaktion angesichts bestimmter evolutionsgeschichtlich relevanter bedrohlicher Reize, bestimmte kindliche Erfahrungen von Kontrollverlust bzw. Ohnmacht und verschiedene direkt erlebte oder beobachtete aversive Lernerfahrungen mit dem gefürchteten Objekt als traumatische, sensibilisierende Erlebnisse) bewirken ein sensitiviertes subkortikales Furchtsystem.

Als Folge davon kommt es zu einer defensiven Reaktionskaskade, beginnend mit Bewegungsstarre und gebannter Orientierung, darauf folgend die Vorbereitung auf eine Handlung (autonome Aktivierung, Adrenalinausschüttung), danach die Panik und Flucht bzw. Ohnmacht.

Positive Lernerfahrungen mit dem potenziell gefährlichen Objekt bewirken eine Abnahme der Furchtreaktion durch andere Bewertungen.

Der amerikanische Psychologe Martin Seligman wies mit seiner mit seiner Preparedness-Theorie schon 1971 auf biologisch vorbereitetes Lernen bei vielen Phobien hin. Auf dem Hintergrund der Evolution verständlich, fürchten wir eher Höhen, Tiefen, Dunkelheit, Wasser, Gewitter, Naturkatastrophen, Feuer, Blitz und Donner, potenziell gefährliche Tiere (giftige Schlangen und Käfer und nicht nur große Raubtiere) und plötzlichen Sauerstoffverlust als evolutionsgeschichtlich neuere, nicht über die Vererbung vermittelte potenzielle Gefahrenreize wie Schusswaffen, Strom, radioaktive Strahlung, Industrieabgase, technische Geräte, Chemieprodukte oder schnelle Fahrzeuge. Gelernte Furchtreaktionen auf evolutionsgeschichtlich bedeutsame äußere Reize lassen sich daher viel schwerer verlernen (löschen) als erlernte Furchtreaktionen angesichts anderer Umweltreize. 


Nach den Lerntheorien werden spezifische Phobien erlernt durch aversive Lernerfahrungen (klassische und operante Konditionierung, Zwei-Faktoren-Theorie nach Mowrer), Beobachtung ängstlicher Menschen (Modelllernen) und Übermittlung negativer Nachrichten und Informationen (semantisches Lernen). 

Rund 50% der Menschen mit einer spezifischen Phobie (z.B. die meisten Hundephobiker) können sich nicht an direkte aversive Lernerfahrungen mit gefürchteten Objekten oder Situationen erinnern. 

Die traditionellen Lerntheorien können nicht erklären, wie Personen ohne Lernvorgänge eine spezifische Phobie entwickeln können, während zahlreiche Menschen laut einer umfangreichen australischen Längsschnittstudie im Kontakt mit nachweislich aversiven Reizen keine spezifische Phobie entwickelt haben (nach Stürzen von Treppen, Leitern und Bäumen entstand keine Höhenphobie, ähnlich wie nach negativen Erfahrungen mit Wasser keine Phobie auftrat, während andere Menschen ohne aversive Erfahrungen Höhenangst hatten). 

Dies weist darauf hin, dass spezifische Phobien nicht einfach durch negative Erfahrungen erworben werden, vielmehr haben Menschen mit spezifischen Phobien von Kindheit an nicht ausreichend gelernt, mit der angeborenen Furchtdisposition umzugehen und ihre Phobie durch positive Lernerfahrungen zu überwinden. 

Viele weitaus gefährlichere Situationen (Autofahren, Gebrauch technischer Geräte) werden aufgrund positiver Erfahrungen von Kindheit an nicht gefürchtet. Dies zeigt den Effekt von Einfluss, Kontrolle und Selbstwirksamkeit. 

Phobische Erwartungsängste sind umso geringer, je mehr Bewältigungserfahrungen und kognitive Neubewertungen bislang gefürchteter Situationen die Betroffenen gemacht haben. 

Furchtreaktionen werden von evolutionsgeschichtlich alten Gehirnstrukturen gesteuert, wie bereits ausführlich dargestellt wurde: Angeborene und gelernte Gefahrensignale aktivieren das biologisch gesteuerte Furchtsystem (spezielle neuronale Schaltkreise auf der Basis von Amygdala- und Hippocampus-Reaktionen), das eine defensive Reaktion (Kampf, Flucht, Erstarrung oder Ohnmacht) bewirkt. 

Experimente zur subliminaren Wahrnehmung belegen, dass angesichts bestimmter, nicht bewusst wahrgenommener phobischer Reize (z.B. Spinnen, Schlangen) automatisch bestimmte Körperreaktionen auftreten (z.B. Schwitzen, Herzklopfen). 

Experimente haben aber auch gezeigt, dass bereits bei der Vorankündigung eines bestimmten aversiven Reizes eine körperliche Reaktion auftritt – jedoch nur bei Menschen mit spezifischen Phobien, während Personen ohne derartige Furcht keine körperlichen Symptome als Ausdruck subjektiver Bedrohung bekommen. 

Dies bedeutet: Bereits die intensive bildhafte Vergegenwärtigung des phobischen Reizes in Verbindung mit der Einschätzung als bedrohlich löst die körperliche Furchtreaktion aus und nicht erst der Anblick des gefürchteten Objekts. 

Insektenphobiker und Menschen mit anderen spezifischen Phobien reagieren demnach nicht auf die Wirklichkeit, sondern auf ihre inneren Bilder von dieser Wirklichkeit, was Hoffmann und Hofmann auch bei der Verhaltenstherapie berücksichtigen.

Aus der Sicht der kognitiven Verhaltenstherapie folgt daraus, dass Menschen mit der Fähigkeit zu lebendig-bildhafter Vergegenwärtigung von aversiven Reizen bei gleichzeitiger Einschätzung der phobischen Reize als bedrohlich mithilfe einer mentalen Konfrontationstherapie (Exposition in sensu) die aufbauende Erfahrung von Einfluss und Kontrolle in Bezug auf ihre kognitiven, emotionalen und körperlichen Reaktionen machen und damit eine deutliche Steigerung ihres Selbstwirksamkeitserlebens erreichen können. 

Dies gelingt umso besser, je mehr die Betroffenen bereit sind, ohne Entspannung gefürchtete Körperreaktionen zuzulassen. Es stellt sich die paradoxe Erfahrung ein: „Je mehr ich meine Gedanken, Gefühle und körperlichen Reaktionen ohne Dagegen-Ankämpfen zulasse, desto schneller bekomme ich meine Phobie unter Kontrolle.“ 

Bei der Konfrontationstherapie in der Realität (Exposition in vivo) ist es wichtig, dass die Betroffenen die Bedeutung von bildhafter Vorstellung und Bedrohungseinschätzung erkennen, indem sie lernen, zu beobachten, was sie mit ihren Sinnesorganen wirklich wahrnehmen („Was genau sehe, höre, spüre, rieche ich?“). 

Tierphobiker sehen gefürchtete Tiere nicht so, wie sie wirklich sind, sondern entsprechend ihren Vorstellungen, und stellen einen Zusammenhang zwischen ihrer Person und den gefürchteten Tieren hier („Gleich springt diese Spinne auf meine Haut und ich ekle mich“, „Gleich beißt mich dieser Hund und verletzt mich schwer“). 

Dies gilt auch von Menschen mit anderen spezifischen Phobien („Ich sehe diesen gefährlichen Blitz, gleich wird er mich treffen und töten“, „Ich sehe von diesem Balkon bzw. Turm auf den Boden und werde gleich hinunterfallen“, „Ich sehe diese Spritze, gleich werde ich ohnmächtig umfallen“). 

Die Wirksamkeit von Konfrontationstherapien bei spezifischen Phobien beruht somit nicht einfach auf der Gewöhnung (Habituation) an die bislang gefürchteten Reize und die ebenfalls gefürchteten körperlichen Reaktionen, sondern auf einer Änderung der Wahrnehmung der gefürchteten Objekte und Situationen sowie auf einer Änderung der Bedrohungseinschätzung und der daraus resultierenden vermuteten Beziehung zwischen Person und gefürchteten Objekten bzw. Situationen. 

Bei der Restkategorie der spezifischen Phobien („anderer Typus“) sind andere Kognitionen bedeutsam: sozialphobische Denkmuster (Furcht vor Erbrechen und Umfallen) und hypochondrische Befürchtungen (Furcht vor Verschlucken und Ersticken). Reine Konfrontationstherapien ohne Änderung der Denkmuster sind dabei unzureichend. 

Verhaltenstherapie bei Spezifischen Phobien 

 
Spezifische Phobien stellten seit den frühen 1960er-Jahren ein beliebtes Anwendungsgebiet der neu entwickelten verhaltenstherapeutischen Methoden dar (insbesondere der systematischen Desensibilisierung, z.B. bei einer Spinnenphobie). Dabei ging man lange Zeit rigide nach bestimmten Techniken vor, ohne die funktionale Bedeutung der jeweiligen Phobie ausreichend zu berücksichtigen.

Ein derartiges „Wegtrainieren“ von Symptomen hat in vielen Fällen zwar durchaus gut funktioniert, insgesamt jedoch dem Image der Verhaltenstherapie so schwer geschadet, dass viele Kritiker auch heute noch dieser Psychotherapiemethode ihre Vergangenheit vorwerfen.

Heutzutage wird stärker als früher beachtet, dass auch die scheinbar einfachen spezifischen Phobien vor Behandlungsbeginn eine individuelle und differenzierte Verhaltensanalyse sowie eine funktionale Analyse ihrer Bedeutung erfordern. 

Misserfolge in der Therapie sind oft durch die Vernachlässigung dieser Aspekte erklärbar. 

Spezifische Phobien sind oft sehr subtil in den beruflichen, familiären oder privaten Bereich eingebettet:

  • Eine sich plötzlich entwickelnde Flugphobie eines erfolgreichen, weltweit tätigen Managers kann Ausdruck dafür sein, dass er als Familienvater mit vier Kindern und einer überforderten bzw. chronisch kranken Frau unbewusst nicht mehr ständig Außendienste, noch dazu in Übersee, machen möchte, obwohl er vielleicht bewusst nach einer entsprechenden Lösung sucht und daher eine reine Flugphobie-Behandlung erwartet.


  • Die Angst vor Blitz und Donner kann zwar ausdrücken, dass eine Frau sich während eines heftigen Gewitters ohne ihren Mann zu Hause fürchtet, aber auch signalisieren, dass sie eigentlich nicht mehr länger im entlegenen Haus am Waldrand wohnen möchte, abgeschnitten vom früheren Bekanntenkreis. 


  • Eine sich plötzlich entwickelnde Blutphobie einer Krankenschwester kann symbolisieren, dass sie wegen der Kinder nicht mehr länger berufstätig sein möchte, obwohl sie dies aus finanziellen Gründen (Kreditrückzahlung) eigentlich sein müsste.


  • Eine Hundephobie kann der Rechtfertigung eines sozialen Rückzugs dienen. 

 
Bei den häufigen Tierphobien (Spinnen, Schlangen, Hunde usw.) wurde zumeist die systematische Desensibilisierung eingesetzt.

Der schwedische Verhaltenstherapeut Öst entwickelte eine Behandlungsmethode, mit der spezifische Phobien in einer Sitzung behandelt werden können.

Es handelt sich dabei um eine Kombination von Konfrontation und teilnehmender Beobachtung. Der Phobiker beobachtet zuerst den Therapeuten als Modell und setzt sich anschließend der Konfrontation mit dem gefürchteten Tier aus.

Die Sitzung ist beendet, wenn der phobische Patient im Rahmen einer gestuften Angstbewältigung entweder gelernt hat, dem Tier mit keiner bzw. wenig Angst zu begegnen oder wenn drei Stunden vorbei sind.

Die ganze Konfrontation wird auf Video aufgenommen, sodass sich der Patient noch einmal alle Therapieelemente vergegenwärtigen kann. Anschließend stärkt der Patient zu Hause seine Erfolgserlebnisse durch Selbstkonfrontationsübungen auf der Basis eines Selbstbehandlungsmanuals.

Bei Insektenphobien, die sich vordergründig meist um die „Angst“ vor Spinnen und Käfern drehen, geht es tatsächlich meist um Ekelgefühle, die es besser auszuhalten gilt, sowie um die Überprüfung der fantastischen Vorstellungsbilder, die nichts mit der Realität der entsprechenden Kleintiere zu tun hat. Es erfolgt eine Überprüfung der Wahrnehmung (Was sehe ich wirklich?) und der Gefühle (Was spüre ich wirklich?).

Bei Blut-, Verletzungs- und Spritzenphobien wird angesichts der dabei auftretenden physiologischen Besonderheiten (plötzlicher Blutdruckabfall mit Schwindel und Ohnmachtsneigung) vom schwedischen Team um Öst eine spezielle Vorgangsweise gewählt, die ursprünglich im Rahmen von fünf Sitzungen zur Anwendung gelangte:

  • In der ersten Sitzung wird nach einer kurzen Verhaltensanalyse eine Anspannungstechnik zur Hebung des Blutdrucks gelernt (jede muskuläre Anspannung führt zur Hebung des Blutdrucks und verhindert damit wirksam die befürchtete Ohnmachtsreaktion). Dabei werden die großen Skelettmuskeln (Arme, Brust und Beine) für  15-20 Sekunden angespannt, was nach einer Pause von 30 Sekunden wiederholt wird. Diese Übung soll zu Hause täglich 5-mal zu jeweils fünf Zyklen von Anspannung und Entspannung durchgeführt werden.


  • In der zweiten und dritten Sitzung werden dem Betroffenen 30 Dias von Verletzten gezeigt. Der Patient soll dabei auf die ersten Zeichen einer nahenden Ohnmacht achten lernen. Als Vorzeichen können verschiedene Symptome auftreten: kalter Schweiß auf der Stirn, bestimmte Empfindungen im Magen (Übelkeit), Ohrensausen usw. Bei Registrierung der ersten Frühwarnsymptome soll der Patient die erlernte Anspannungstechnik zur Hebung des Blutdrucks einsetzen, während er weiterhin die Bilder von Verletzten betrachtet. 


  • Die vierte Sitzung erfolgt in einer Blutspendezentrale, wo der phobische Patient andere Personen beim Blutspenden beobachtet und sich anschließend selbst Blut abnehmen lässt. Bei Bedarf wird wiederum die Anspannungstechnik eingesetzt.


  • Die fünfte und letzte Sitzung erfolgt auf einer chirurgischen Station, wo der Patient eine Operation mitverfolgt. Die weitere Therapie besteht in einem sechs Monate dauernden Selbstbehandlungsprogramm. 

 
Menschen mit Klaustrophobie haben eine große Ähnlichkeit mit Agoraphobikern mit Panikattacken, weil sie wie diese befürchten, in einer Situation, in der sie sich festgehalten fühlen, eine Panikattacke zu bekommen, sodass sie sich in ständiger Fluchtbereitschaft und starker Anspannung befinden.

Die Betroffenen haben in geschlossenen Räumen ein Engegefühl in der Brust mit der Schwierigkeit durchzuatmen, sodass sie am liebsten das Weite suchen würden, aber ausharren müssen. 

Von der englischen Gruppe um Rachman wurde ein Programm entwickelt, das aus einer Kombination von drei Therapieelementen besteht:

  • Konfrontation mit Angst auslösenden Situationen, 
  • Konfrontation mit den körperbezogenen Reaktionen,
  • kognitive Therapie. 

 
Eine wegen der Gefahr kaputter Zähne folgenreiche Oralo- oder Dentalphobie (früherZahnarztphobie“ genannt), die bei mindestens 15% der Bevölkerung vorkommt, lässt sich effizient behandeln durch ein Breitband-Therapieprogramm mit folgenden Elementen:

  • systematische Desensibilisierung,
  • EMG-Biofeedback (Entspannungstraining für die Kopfmuskulatur),
  • Modelllernen durch Video (Betrachtung von Filmen über Zahnbehandlungen), 
  • Einsatz hypnotherapeutischer Methoden im Rahmen eines verhaltenstherapeutischen Behandlungskonzepts (durch die Verringerung der Schmerzempfindlichkeit über den Weg der Suggestion angenehmer Vorstellungsbilder kann die zahnärztliche Behandlung sehr erleichtert werden). 


Bei einer Flugphobie (Aviophobie) werden verschiedene Therapiemethoden einzeln oder kombiniert eingesetzt: systematische Desensibilisierung, Konfrontationstherapie, kognitive Therapie, Selbstinstruktionstraining nach Meichenbaum, mentales Training.

Auf vielen Flughäfen werden Seminare zur Bewältigung der Flugangst angeboten (siehe z.B. www.flugangst.de oder www.flugangst-coaching.de). 

Neuerdings werden die Möglichkeiten der Computertechnik genutzt, indem mit Hilfe einer Spezialbrille wirklichkeitsnahe Flüge simuliert werden („virtual reality“). 

Die Therapie der Flugphobie muss sich auf die speziell gegebene Angst beziehen: 

  • Todesangst aus Angst vor einem Absturz, 
  • Flugphobie als Höhenphobie, 
  • Angst vor einer Panikattacke wegen fehlender Fluchtmöglichkeit (Flugangst als Extremvariante einer Agoraphobie), 
  • klaustrophobische Angst (agoraphobische Angst vor der Beengtheit durch Flugzeuginneres, Angeschnalltsein oder Sauerstoffmangel), 
  • Kontrollverlustangst in Verbindung mit der Angst vor sozialer Auffälligkeit, 
  • Kontrollverlustangst im Sinne des Umstands, anderen Menschen (den Piloten) vertrauen zu müssen,
  • Kontrollverlustangst im Sinne des Umstands, einer unbekannten Technik vertrauen zu müssen, 
  • Angst vor der Ferne, agoraphobische Angst, am Urlaubsort bis zum Rückflug festzusitzen („in der Falle sitzen“, nicht jederzeit nach Hause fliegen zu können).

 
Wenn eine Höhenphobie nur durch den Blick aus Höhen (Brücken, Hochhaus-Balkon, Turm, Leiter, Seilbahn) ausgelöst wird, beruht sie möglicherweise nur auf einem ganz normalen Höhenschwindel.

Die Betroffenen müssen vor einer Konfrontationstherapie über den Umstand aufgeklärt werden, dass ein Höhenschwindel einfach nur durch den Blick in die Tiefe ausgelöst wird, weil das Auge in der Nähe keinen festen Punkt zur Orientierung findet, sodass man mangels Halt einen Absturz fürchtet.

Tatsächlich jedoch hat der Höhenschwindel weniger mit einer Angst an sich zu tun, sondern vielmehr mit dem Umstand, dass in größeren Höhen die Entfernung zum nächsten Objekt zu groß ist und daher durch die fehlende Auge-Körper-Koordination ein Schwindelgefühl auftritt.

Erst in weiterer Folge entwickeln sich Vorstellungen, jederzeit abstürzen zu können, sodass man sich dagegen wehrt und in der Folge davon stark verspannt.

Die Betroffenen sollen unterscheiden lernen zwischen ihren inneren Vorstellungen und ihren äußeren Wahrnehmungen (Was genau stelle ich mir vor, was sehe ich wirklich vor mir?).

Anschließend sollen sie den Wahrheitsgehalt der aktivierten Vorstellungen in der Realität überprüfen und die Situation neu bewerten lernen.

Allein schon durch eine Verbesserung der Wahrnehmung können die Mikroauslöser der Höhenphobie identifiziert werden.

Im Laufe der Zeit soll sich der Patient nicht einfach nur an die Situation gewöhnen, sondern ein Sicherheitsgefühl gewinnen, das zu einem besseren Wohlgefühl in größeren Höhen führt.

Grundsätzlich wird bei der Behandlung von spezifischen Phobien auf dieselben Techniken zurückgegriffen, wie sie bei der Behandlung der Agoraphobie bereits dargestellt wurden. Es bewähren sich auch Techniken aus dem mentalen Training.

Bei entsprechender Ausbildung des Psychotherapeuten kann eine Hypnotherapie sehr hilfreich sein.

Bei manchen spezifischen Phobien müssen Vorstellungsübungen oder eine Cyberbrille eingesetzt werden, weil eine Konfrontation in der Realität nicht möglich ist oder die phobische Auslösesituation nicht willkürlich hergestellt werden kann.

Durch die Weiterentwicklung der technischen Möglichkeiten werden Menschen mit spezifischen Phobien zumindest in bestimmten Zentren immer häufiger mit virtuellen Techniken behandelt. Es handelt sich dabei um eine Art „virtuelle Konfrontationstherapie“.

Mithilfe der Cyberbrille, die verschiedene gefürchtete Situationen möglichst realistisch wiedergibt, erfolgt die Konfrontation mit den Auslösereizen (Spinnen, Höhen, Flugzeug, Aufzug u.a.), die Angst, Panik, Beklemmung oder Ekel hervorrufen.

Ein computergesteuerter Helm, in dem kleine Bildschirme eingebaut sind, versetzt den Phobiker in eine virtuelle Scheinwelt, wo er sich mit dem Blick aus einem hohen Stockwerk, dem Aufenthalt in einem Flugzeug, der Fahrt in einem Aufzug oder dem Anblick einer Spinne konfrontiert.

Dabei kann auch eine Überwachung der körperlichen Funktionen (Herzschlag, Kreislauf, Schweißabsonderung, Stresshormon-Ausschüttung) erfolgen.

Menschen mit spezifischer Phobie ohne weitere psychische Störungen können dabei oft schon nach 5-10 Therapiestunden anhaltende Erfolge verbuchen.

Das Üben in realen Situationen wird dadurch jedoch keinesfalls ersetzt, sondern im Anschluss an die Cybertherapie nur erleichtert.

Derartige, zumindest bei bestimmten Menschen mit spezifischen Phobien Erfolg versprechende virtuelle Konfrontationstechniken können erweitert werden, indem Caves mit virtuellen Umgebungen aus Leinwänden und Kamera-Projektionen eingerichtet werden, die man betreten kann, um sich dort mit bestimmten Angst auslösenden Reizen zu konfrontieren.

Neben der Konfrontationstherapie in der Vorstellung und in der Realität mit der Erwartung einer Habituation und einer damit verbundenen Einstellungsänderung aufgrund positiver Erfahrungen werden auch bei spezifischen Phobien immer häufiger kognitive Interventionen mit anregenden Fragen eingesetzt: 

Wahrnehmungsschulung


Was nehmen Sie äußerlich wahr? (Was genau sehen, hören, spüren, riechen Sie? Beschreiben Sie genau, was Sie in Hinblick auf das Objekt bzw. die Situation gerade wahrnehmen. 

Entspricht diese Wahrnehmung Ihren Erwartungen und inneren Bildern?). Was nehmen Sie innerlich war? (Welche Gedanken, bildhaften Vorstellungen, Gefühle, körperlichen Empfindungen haben Sie gerade? 

Haben Sie Angst- und Bedrohungsgefühle oder eher ein Ekelgefühl? Reagieren Sie wirklich auf das Objekt vor Ihnen oder auf ein erinnertes, als sehr bedrohlich erlebtes Objekt in Ihrer Vorstellung? 

Lassen Sie Ihre Gefühle und körperlichen Empfindungen gerade zu oder möchten Sie diese unterdrücken bzw. wegschieben? 

Beschreiben Sie genau, was in Ihnen vorgeht, verbalisieren Sie Ihre Gefühle und lassen Sie alle Empfindungen weiterhin zu, ohne dagegen anzukämpfen).

Analyse und Änderung der zentralen Denkmuster und bildhaften Vorstellungen in Bezug auf gefürchtete Objekte und Situationen


Welche zentralen Gedanken und bildhaften Vorstellungen haben Sie regelmäßig in Bezug auf die befürchteten Objekte und Situationen? 

Welche Vorhersagen machen Sie vor einer Konfrontationstherapie? 

Was glauben Sie, wird passieren? Vergleichen Sie dies dann mit den tatsächlich gemachten Erfahrungen nach der Konfrontation. Wie sehr sind Ihre Fantasien von der Realität entfernt? 
 
Obwohl spezifische Phobien der erste therapeutische Einsatzbereich der Verhaltenstherapie waren, ist nach dem zunehmenden Ersatz der systematischen Desensibilisierung durch die Exposition in der Vorstellung und in der Realität (gestuft und massiert) – auch unter Berücksichtigung kognitiver Aspekte – noch viel zu tun, soweit es um die Entwicklung besserer verhaltenstherapeutischer Strategien für zahlreiche spezifische Phobien geht (z.B. für viele Phobien vom „Umwelttypus“ und „anderer Typus“).